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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Yuri A. Marano, Le fortune di un patriarca. Grado altomedievale e il „testamento“ di Fortunato II (Altomedioevo, n. s. 10) Roma 2022, Viella, 243 S., 11 Abb., ISBN 978-88-3313-897-8, EUR 28. – Das Büchlein ist zweigeteilt; der erste Teil widmet sich der Biographie des Patriarchen Fortunatus († 825?), der zweite der Archäologie und Geschichte seines Patriarchats Grado. In beispielhafter Klarheit bietet der Vf. ein Profil Fortunatus’ II. auf dem neuesten Forschungsstand, eingebettet in die Geschichte des vom byzantinischen Kaisertum abhängigen und zugleich dem fränkisch-karolingischen Expansionismus ausgesetzten ducatus. Die Quellen und die Ereignisse an sich sind bekannt, aber der Vf. vermittelt sie in seiner Synthese unter kritischer Bewertung der bisherigen Forschung in überzeugender Weise. Der Patriarchensitz Grado war eine bescheidene Siedlung, aber von umso größerer Bedeutung auf politischem und religiösem Gebiet. Sein castrum befand sich in einer strategischen Position an den Verkehrswegen im oberen Adriaraum, und so spielte es eine wichtige Rolle in den kriegerischen Auseinandersetzungen des 9. Jh. Dank einer Neuinterpretation der archäologischen Funde und der literarischen Quellen kann der Vf. Grado eine ähnliche Funktion zuschreiben wie den „isole di rifugio“ der byzantinischen Welt und seine Entwicklung in einen gesamtmittelmeerischen Kontext einordnen (S. 90). Etwa die Hälfte des Bandes (S. 91–163) wird eingenommen von Edition, Übersetzung und Kommentar des sogenannten Testaments des Fortunatus. Der vielbehandelte Text ist noch immer rätselhaft, das beginnt schon mit der Frage nach seinem literarischen Genus. Der Vf. wertet ihn inhaltlich aus im Hinblick auf eine Einordnung Grados in den internationalen Handel (S. 174), aber auch, um die Bedeutung von Tauschgeschäften hervorzuheben, die nicht direkt kommerzieller Natur waren (Geschenke als eine Form weniger ökonomischer als politischer oder sozialer Kommunikation, S. 183). Schließlich geht es um die Rolle des Fortunatus als „Vermittler des Heiligen“, als Sammler von Reliquien und Kirchengeräten. Das Buch ist keine Monographie im eigentlichen Sinn, weil es nicht von einem einzelnen Thema oder Problem ausgeht, sondern es verknüpft zwei sehr verschiedenartige Studien. Die erste ist eine klassische Erzählung ohne Auseinandersetzung mit den jüngsten Diskussionen um (auto-)biographische Literatur, die vielleicht für die Auswertung des Testaments als Selbstzeugnis hätten fruchtbar gemacht werden können. Aber der Text ist gut lesbar, auf dem neuesten Stand und bietet sich an für den Gebrauch in der universitären Lehre.

Daniela Rando (Übers. V. L.)

(Rezensiert von: Daniela Rando)