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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Marco Bolzonella, Oltre i confini del dogado. L’espansione patrimoniale degli enti ecclesiastici veneziani nel Padovano (secoli IX–XIV) (Deputazione di storia patria per le Venezie, Studi 10) Roma 2022, Viella, 278 S., 1 Abb., ISBN 978-88-3313-974-6, EUR 34. – Der Band ist die überarbeitete Fassung einer Diss., die unter Sante Bortolami angefertigt wurde und dem viel zu früh verstorbenen Mediävisten ihre Freude an der Suche in Archiven ebenso verdankt wie die Leidenschaft für die Erforschung des ländlichen Raums. Im Zentrum der Arbeit stehen etwa 30 Klöster, Spitäler und Kirchen in Venedig, die seit dem 9. Jh. (S. Ilario, 819) zunehmend ausgedehnte Ländereien im benachbarten Territorium von Padua erwarben, und das nicht nur an den Grenzen zum Dogenstaat, sondern auch im Landesinneren. Dank einer gründlichen Durchsicht umfangreichen unedierten Archivmaterials, zum größten Teil aus Archiven und Bibliotheken in Venedig und Padua, kann der Vf. klar und erschöpfend darlegen, welche Bedeutung eine „massiccia acquisizione di beni fondiari“ (S. 29) haben konnte, nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern auch für Gesellschaft, Politik, Umwelt und Gestaltung der Landschaft. Die Arbeit beginnt mit einer Übersicht über die zeitlichen und räumlichen Daten der Expansion; die Erwerbungen werden lokalisiert und ihre Ausdehnung erfasst; eindringlich behandelt werden die Verwaltung der Güter, die Landnutzung und die Erträge, die Änderungen im System der Pachtverträge und schließlich die Vermarktung von Lebensmitteln, Vieh und Rohstoffen, die auf den venezianischen Markt kamen. Kirchliche Institutionen als Grundbesitzer waren unternehmerisch tätig, etwa in der Finanzierung von Bauten und Infrastruktur (Urbarmachungen und Rodungen, Regulierung von Wasserläufen, Mühlen u.ä.), sie konnten „‘costruire’, plasmare, valorizzare e migliorare … il paesaggio rurale del Padovano“ (S. 29). Persönliche Beziehungen und gemeinsame Interessen auch finanzieller Art schufen nach und nach Verbindungen zwischen den monastischen Institutionen und den führenden Familien Venedigs wie den Adelshäusern in Padua und im Padovano. Wie selbstverständlich fügten sich Äbte, Äbtissinnen und ihre Mitarbeiter in die lokalen Kontexte ein, traten in den Dialog mit den führenden Familien des Territoriums und mit der städtischen Aristokratie, mit der Landbevölkerung und mit kleinen und mittleren Grundbesitzern, auch in Form vasallitischer Beziehungen, wie sie der Kultur des Dogenstaats ursprünglich fremd gewesen waren. Gerade daher hatte die „secolare, robusta, infiltrazione veneziana oltre i confini del dogado“ (S. 29) wichtige politisch-juristische Konsequenzen; deswegen beschäftigt sich die Studie mit den Beziehungen zum Reich im 9.–11. Jh., beginnend mit dem umstrittenen pactum Lotharii, ebenso wie mit dem spannungsgeladenen Verhältnis zum comune Padua und der Familie Carrara. In dieser konfliktträchtigen Situation, die mehrmals zum offenen Krieg eskalierte, sieht der Vf. einen der Gründe, die Venedig dazu drängten, sich um die definitive Erwerbung seines Stato da terra zu bemühen (S. 134). Der Band hat keine Zusammenfassung, aber in den Einleitungen der einzelnen Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung vorwegnehmend resümiert: Die „feconda simbiosi“ und „fittissima rete di interessi“ (S. 93) waren nicht nur die Reaktion auf konkrete Notwendigkeiten der Versorgung, sondern äußerten sich in einer „colonizzazione ‘strisciante’, una sorta di penetrazione ‘dolce’ di Venezia in terra straniera“ (S. 134), die schon die Eroberung des Jahres 1405 vorwegnahm, als alle Hindernisse „alla sistematica penetrazione dei capitali marciani all’interno di un distretto territoriale ormai semplice parte integrante dello stato da Terra“ (S. 49) weggefallen waren. Drei nützliche Anhänge und die Edition von 15 Dokumenten ergänzen die gelungene Monographie.

Daniela Rando (Übers. V. L.)

(Rezensiert von: Daniela Rando)