Philipp Meller, Kulturkontakt im Frühmittelalter. Das ostfränkische Reich 936–973 in globalhistorischer Perspektive (Europa im Mittelalter 40) Berlin / Boston 2021, De Gruyter, VIII u. 414 S., 1 Abb., ISBN 978-3-11-074375-3, EUR 99,95. – M. hat in seiner bei Michael Borgolte entstandenen Diss. Kulturkontakte des ostfränkischen Reichs zur Zeit Ottos des Großen dokumentiert und untersucht. Das ist die eigentliche Substanz des Buches. Zwar versucht er seine Forschungen in den Kontext der modernen Globalgeschichte zu stellen, und sicherlich stehen solche Fragen auch am Anfang des Unternehmens, letztlich aber wäre es schade, wenn seine Untersuchungen nur unter dieser Maßgabe einen Sinn ergäben. Um es vorwegzunehmen: Das ist nicht der Fall. Da das Ottonenreich und seine Akteure nun wirklich nicht global vernetzt waren, obwohl es ja im eigenen Selbstverständnis ein tragender Akteur einer christlich verstandenen Weltgeschichte war, muss der Anspruch zunächst reduziert werden. Es reicht zur Einordnung in eine moderne Globalgeschichte „eine neue Sichtweise auf Kontaktsituationen und Verflechtungsprozesse“ (S. 14), die „Grenzen überschreiten“ (S. 15). Dazu gehört ein Kulturbegriff, der Identität vor allem durch Abgrenzung definiert (S. 18). M. distanziert sich von klassisch mediävistischen Zugängen, die das Ottonenreich allein aus seinen inneren Bedingungen heraus verstehen wollen. Das ist in der Tat ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der kulturell und religiös begründeten Selbstwahrnehmung des ostfränkisch-deutschen Früh- und Hoch-MA und einer relativierenden, vermeintlich objektivierten Perspektive auf ein Reich am Rande der Welt (S. 57). M. dokumentiert fast 100 Begegnungen des Ottonenreichs und seiner Akteure mit paganen Gesellschaften. Diese Begegnungen fanden im Rahmen von militärischen, diplomatischen und Handelsbeziehungen statt. Abgesehen davon, dass militärische Auseinandersetzungen nur bedingt auch Kulturkontakte bedeuten, würde niemand bestreiten, dass es rege Kontakte des Reichs vor allem in den noch nicht christianisierten Osten gab. Dass es eine Bereitschaft des Reichs und seiner Akteure zu Kulturkontakten in das muslimische Spanien kaum gab, liegt aber letztlich an zwei Faktoren, nämlich der räumlichen Ferne und der absehbaren Unmöglichkeit von Mission. Beides gilt nicht für den Osten und den Norden. Dass Unmengen von ottonenzeitlichen Münzen im Norden und Osten gefunden wurden (sogenannte Fernhandelsdenare, S. 155–157), kann indes nicht als Beleg für intensiven Handel allein gelten. Hier ist auch an Tributforderungen zu denken. Die intensivste Beziehung zwischen den Kulturen stellt augenscheinlich der Handel dar. Nur hing der personell vor allem an gut vernetzten Juden, die ja ihrerseits nicht integraler Bestandteil der christlich determinierten Gesellschaft des Ottonenreichs waren und so eigentlich auch als Beispiele für unmittelbare Kulturkontakte ausfallen. Die mehrfach behauptete erhebliche Wirkung dieser unterschiedlichen Kulturkontakte vermag der Rez. nicht zu sehen. Nichtsdestoweniger handelt es sich um ein gutes und grundlegendes Buch über Kulturkontakte der ottonischen Gesellschaft.
Jürgen Strothmann
(Rezensiert von: Jürgen Strothmann)