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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Miroslav Lacko / Erika Mayerová, Der Thurzo-Kodex – eine einzigartige Quelle zum europäischen Bergrecht und Münzwesen um 1500, Innsbruck / Wien 2022, StudienVerlag, 546 S., Abb., ISBN 978-3-7065-6224-9, EUR 49,90. – Im Zentrum dieses Bandes steht die Hs. Cgm 561 der Bayerischen Staatsbibliothek. Der wohl zwischen 1500 und 1506 entstandene Codex entstammt der Familie Thurzo, einer vor allem in Ungarn (bzw. der heutigen Slowakei) tätigen, aber auch nach Augsburg, Goslar oder Krakau ausgreifenden Unternehmerdynastie. Johann I. Thurzo (1437–1508) und Jakob II. Fugger (1459–1525) gründeten 1494 die Fugger-Thurzo-Gesellschaft, ein international tätiges frühkapitalistisches Großunternehmen. Die Familie starb 1636 aus. Die Thurzo waren im Handel sowie in Bergbau und Metallurgie tätig; es gab aber auch Familienmitglieder in den Ämtern der ungarischen Kammergrafen bzw. Schatzmeister, denen die Münzstätten unterstanden. Der Band bietet eine Edition des Codex (S. 207–502). Die Einleitung behandelt insbesondere die Geschichte der Familie von den Anfängen bis in die erste Hälfte des 16. Jh. (S. 11–162); dann wird – eher kurz – der Inhalt des Codex vorgestellt (S. 163–180). Dieser besteht aus zwei Teilen, einem bergrechtlichen (fol. 1r–81r) und einem münztechnologischen (fol. 82r–163r). Der bergrechtliche Teil bietet zunächst Schöffensprüche des Stadtgerichts von Iglau (Jihlava, Mähren, Tschechische Republik), das für alle Städte in Böhmen, Mähren und Schlesien zuständig war, die das Iglauer Bergrecht übernommen hatten. Es folgt das Iglauer Bergrecht selbst, dessen Abschrift auf einer Hs. in der Österreichischen Nationalbibliothek (Nr. 14446 [Suppl. 2051], fol. 80r–131v) beruht. Aus dem ungarischen Raum stammt zunächst die Abschrift einer Urkunde von 1383, mit welcher der Reissenschuch-Erbstollen in Königsberg (Nová Baňa, Slowakei) an eine Gesellschaft um Hans Schaffer und Henzel Eisenrinckel verliehen wurde. Das Bergrecht von Göllnitz (Gelnica, Slowakei), verfasst ab 1487, schließt diesen Teil ab. Der monetäre und metallurgische Teil wird dem Umkreis der Kremnitzer (Kremnica, Slowakei) Münzkammer zugeordnet. Vorlagen für diesen Teil konnten die Editoren nicht identifizieren. So könnte es sich um die ältesten derzeit bekannten münztechnologischen Texte handeln. Hier finden sich Rechenaufgaben um die Themen Münzfuß und Kostenkalkulation einer Münzprägung (Einkauf, Schlagschatz, Löhne, Abgang, etc.), aber auch eine Anleitung zur Herstellung von Probierwasser. Es folgen Aufstellungen über den Goldgehalt europäischer Goldmünzsorten. Breiten Raum nehmen Listen der Taxen ein, also der Preise, zu denen der Ankauf des produzierten Edelmetalls in den ungarischen Münzstätten stattfand. Weitere Anweisungen zu chemischen Verfahren im Probierwesen, der Scheidekunst und der Zimentierung, also der Prüfung und Trennung der Edelmetalle, stehen am Ende dieses Teils. Die kodikologische Beschreibung der Quelle ist extrem kurz geraten (S. 184); hätten hier vielleicht noch mehr Erkenntnisse zu Struktur und Geschichte des Bandes gewonnen werden können? Trotzdem: Der hier vorgelegte Codex ist insbesondere für Münzprägung und Metallurgie eine bedeutende neue Quelle; die inhaltliche Auseinandersetzung damit kann nun beginnen.

Hubert Emmerig