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Marco Cristini, Baduila: Politics and Warfare at the End of Ostrogothic Italy (Istituzioni e società 27) Spoleto 2022, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, XVII u. 280 S., Abb., ISBN 978-88-6809-365-5, EUR 30. – Die Herrschaft der Goten über Italien währte rund sechzig Jahre. In der ersten Hälfte regierte allein Theoderich. Von den acht Herrschern, die seine Nachfolge zwischen 526 und 553 antraten, regierte Totila am längsten (April 541 – Juli 552). Allerdings fiel seine Regierungszeit in die 535 einsetzenden Gotenkriege. Allein schon die Tatsache, dass er den oströmischen Truppen so lange standhielt, hat ihm in der modernen (Fach-)Literatur viel Bewunderung eingebracht. C., der seit 2017 bereits mehrere Untersuchungen zu dieser Zeit publiziert hat, hat sich nun in einer längeren Biographie kritisch mit seiner Person und Herrschaft auseinandergesetzt. Dass er in ihr nicht den sonst gebräuchlichen Namen Totila, sondern den zweiten Namen Baduila verwendet, begründet er überzeugend mit der numismatischen Überlieferung; denn in offiziellen Zeugnissen wie etwa auf Münzen taucht ausschließlich dieser Name auf (S. XI und 26–29). Seine Darstellung leitet der Vf. mit einer ausführlichen Besprechung der zur Verfügung stehenden Quellen ein (Kapitel 1). Unter ihnen nehmen die Berichte Prokops aufgrund ihrer Länge eine besondere Stellung ein, so dass die Studie letztlich einen ausführlichen Kommentar zu ihnen darstellt. Der längste Abschnitt des Buchs befasst sich mit dem Aufstieg Baduilas, mit seinen Feldzügen und seinem Ende in der Schlacht bei Busta Gallorum (Kapitel 2 und 3, S. 31–103). Hier arbeitet C. heraus, dass mit der Kapitulation von Ravenna und Vitigis’ Gefangennahme 540 eine neue Phase unter den Gotenkönigen einsetzte. Nach der kurzen Herrschaft von Ildibad und Erarich konnte sich Baduila, Ildibads Neffe, aufgrund seiner militärischen Erfolge gegen die Oströmer, die Prokop größtenteils verschweigt, durchsetzen. Allerdings galt er nicht mehr wie noch Vitigis als legitimer Herrscher, da er weder mit Theoderichs Familie, den Amalern, verwandt war noch wie dieser vom oströmischen Kaiser anerkannt und akzeptiert wurde. Mit seinen Truppen drang er zwar bis Süditalien vor, eroberte Neapel und zweimal Rom, doch konnte er trotz solcher Erfolge seine Herrschaft nicht dauerhaft festigen. Einmal abgesehen davon, dass die Goten nur eine verschwindend kleine Minderheit in Italien darstellten, setzte sich sein Heer neben Goten aus desertierten oströmischen Soldaten und übergelaufenen Italikern zusammen. Da Baduila über kein größeres strategisches Geschick verfügte, spricht C. zu Recht von ihm als einem „barbarian warlord“ (S. 103, 177–186). Angesichts einer solch schmalen Machtbasis erklärt sich, warum er außen- wie innenpolitisch keine Erfolge vorweisen konnte. Die Franken weigerten sich, mit ihm ein Bündnis einzugehen, indem sie ihm keine Königstochter zur Frau gaben. Seine drei Gesandtschaften an Justinians Hof bewirkten kein Einlenken des Kaisers. Selbst auf das Angebot der Goten, ihm ihren Herrschaftsbereich als „Klientelstaat“ zu unterstellen, ging dieser nicht ein (Kapitel 4). Obwohl Baduilas arianische Glaubensauffassung keine Rolle spielte, war er nicht in der Lage, enge Beziehungen zu den einflussreichen Bischöfen aufzubauen. Schuld daran waren nicht die Zerstörungen von Friedhöfen und Katakomben, die ihm bislang zur Last gelegt wurden. Wie C. überzeugend darlegt, gingen sie wohl eher auf Vitigis zurück (Kapitel 5, S. 142–144). Seit dem späten 19. Jh. haben Historiker angenommen, dass Baduila durch eine „Landreform“ tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Veränderungen eingeleitet habe (Kapitel 6, S. 145–164). Solchen Überlegungen, die in Anlehnung an moderne revolutionäre Bewegungen erfolgten, erteilt C. eine deutliche Absage, indem er darauf hinweist, dass Ravenna, die Zentrale der Reichsverwaltung, in oströmischer Hand blieb, die Curialen weiterhin Steuern erhoben und die Goten nur einen Teil der Apenninenhalbinsel kontrollierten. Letztlich dürfte Baduila nur okkupiertes Land an Gefolgsleute verteilt haben. Drei Kapitel befassen sich mit den Münzen, durch die Baduila sich als legitimer Herrscher zu präsentieren versuchte, mit seinen Bemühungen, als gerechter Herrscher wie Theoderich zu erscheinen, und mit der Frage nach der Loyalität der Bevölkerung gegenüber dem Gotenkönig. C. zeigt auf, wie sich die Forschung von dem Bild eines homogenen Stammesverbands verabschiedet hat und dass die Goten um die Mitte des 6. Jh. nicht mehr mit den Goten gleichzusetzen sind, die im Sommer 489 in Oberitalien einfielen. Hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Vf. näher auf die Siedlungsschwerpunkte der Goten in Italien eingegangen wäre. Durch sie lässt sich eindeutig belegen, dass diese sich vor allem im Norden, aber kaum im Süden der Apenninenhalbinsel niederließen. Das Buch schließt mit einer kurzen Betrachtung über das Nachleben Baduilas. Infolge des fehlenden Rückhalts in der italischen Bevölkerung und aufgrund seiner Niederlage wurde er sehr bald als illegitimer Herrscher und tyrannus charakterisiert (Kapitel 10). Aufgrund der eingehenden und abwägenden Quellenanalyse ist diese Biographie eine sehr lesenswerte, anregende und interessante Studie über das Ende der gotischen Herrschaft in Italien.

Frank M. Ausbüttel

(Rezensiert von: Frank M. Ausbüttel)