Amélie Sagasser, Juden und Judentum im Spiegel karolingischer Rechtstexte (Judentum und Umwelt 84) Berlin 2021, Peter Lang, 568 S., ISBN 978-3-631-83732-0, EUR 99,95. – Die Vf. legt mit ihrer Diss. eine umfassende Analyse der Rechtsquellen der Karolingerzeit vor. Vor allem fragt sie nach der Position der Juden in einer Gesellschaft, die zu dieser Zeit immer stärker vom Christentum geprägt wurde. Diese Periode wird in der bisherigen Forschung zur Geschichte der Juden recht unterschiedlich oder sogar widersprüchlich bewertet, was die Vf. darauf zurückführt, dass nur wenige Quellen mit langen zeitlichen Abständen aus einem sich verändernden geographischen Raum vorliegen. Insgesamt untersucht sie 48 Dokumente, die sich von 768/69 bis 982 datieren lassen (S. 31 u. 34f.). Für einige Quellen ist die Datierung unsicher. Daher ist es gerechtfertigt, dass die Vf. ihren ersten, den systematischen Teil nach Quellengattungen geordnet aufbaut und so auch auf Gemeinsamkeiten oder Schwierigkeiten der Überlieferung eingehen kann. Mehrfach verweist sie auf Textvarianten oder auf nachträgliche Zusätze in den im Original eingesehenen Abschriften. Leider setzt das Layout des Verlags längere Zitate eingerückt in eine ziemlich kleine Schrift, so dass ausgerechnet die Quellenzitate als wichtigste Textpassagen am schwersten zu lesen sind. Gegenüber der Orientierung an Quellen tritt die Orientierung an inhaltlichen Aspekten der Rechtstexte zurück. Leser, die gezielt nach Informationen zu bestimmten Themen suchen, müssen zuvor die Quellen kennen, die immerhin leicht im Register zu finden sind. Manche rechtlichen Fragen oder Problemstellungen, wie der Handel von Juden mit kirchlichen Gegenständen, die Tischgemeinschaft von Juden und Christen, Landbesitz von Juden oder die Anzahl der Zeugen bei einem Eid, werden bis ins Spät-MA immer wieder in Rechtsbüchern oder Statuten aufgegriffen. Hier wäre wenigstens eine schematische Übersicht zu den in den Quellen angesprochenen, sich oft wiederholenden rechtlichen Fragen wünschenswert gewesen (vgl. aber zusammenfassend Kapitel VI.1 oder S. 436). Dennoch ist es sinnvoll, wie die Vf. im zweiten Teil die Rechtsfragen in einen weiten Kontext stellt und in die politischen und kirchlichen Entwicklungen und Zeitumstände einbettet. Dies schließt Rückblicke, beispielsweise auf Rechtstexte des 4.–7. Jh. (S. 379), oder Ausblicke, etwa auf die Formulierung der Kammerknechtschaft ab dem 13. Jh. (S. 400f.), mit ein. Wichtiger Ausgangspunkt der Analyse ist aber das Selbstverständnis der weltlichen Herrscher wie auch der Päpste und die Frage, ob Juden in den damaligen Rechtstexten als reale Personen oder etwa als imaginäre Figuren gemeint sind. Entsprechend kommt die Vf. zu dem Schluss, dass Juden in den karolingischen Rechtstexten oft als „Andere“ erscheinen, auf die das Christentum reagieren musste.
Maike Lämmerhirt
(Rezensiert von: Maike Lämmerhirt)