DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Carsten Jahnke, Gott gebe, dass wir alle selig werden mögen. Die Mitgliederverzeichnisse der Heilig-Leichnams-, St. Antonius- und St. Leonhards-Bruderschaft zur Burg in Lübeck sowie das Bruderschaftsbuch der Heilig Leichnams- und St. Mauritiusbruderschaft der Weydelude zu St. Katharinen (Nova Mediaevalia 20) Göttingen 2022, V&R unipress, 387 S., Abb., ISBN 978-3-8471-1358-4, EUR 55. – J. legt einen wichtigen Beitrag zur Sozialgeschichte und den Frömmigkeitspraktiken im spätma. Lübeck vor. Er ediert die Mitgliederverzeichnisse dreier Bruderschaften, die am Lübecker Burgkloster angesiedelt waren; ferner das Bruderschaftsbuch der Heilig-Leichnams- und Mauritiusbruderschaft, angesiedelt am Katharinenkloster. Zugleich bietet er in zwei konzisen Einleitungstexten Überblicke über die Geschichte und die Strukturen der jeweiligen Bruderschaften. Diese kontextualisieren die Bruderschaften auch in den Konjunkturen der Frömmigkeit des 15. Jh., etwa der zunehmenden Fronleichnamsfrömmigkeit. So kann J. etwa belegen, dass in Lübeck Fronleichnamsprozessionen stattfanden (S. 264f.). Daneben finden sich viele Einzelbelege für die Verbreitung liturgischer Objekte und Reliquien in den Bruderschaften, die einen wichtigen Beitrag für die von Caroline Walker Bynum eingeforderte Erforschung religiöser Praktiken über die Materialität leisten könnten (S. 283–285). Die Mitgliederverzeichnisse, beruhend auf den Eintritten der Brüder und Schwestern in die Bruderschaften und den Einträgen über ihr Ableben im Liber defunctorum, stellen einen breiten Fundus an Namen zur Verfügung, um die umfangreichen prosopographischen Beiträge zur kaufmännisch geprägten Oberschicht Lübecks im 15. Jh. noch zusätzlich zu bereichern. Ein besonderer Wert der in verschiedenen Rechnungs- und Fundationsbüchern genannten Namen könnte etwa darin liegen, die Kenntnisse über die Bruchlinien im und im Gefolge des Lübecker Ratsstreits (1408–1416) zu erweitern. Zugleich liefert die Edition aber auch wichtige Angaben zur Sozialgeschichte der Bruderschaften, etwa zur bruderschaftlichen Festkultur, den Schaffern und Älterleuten, vor allem aber auch zur Geschlechtergeschichte, da in den Listen auch weibliche Mitglieder der Bruderschaften sichtbar werden. Mehrere Almosenregister geben zudem Auskunft über die Rolle der Bruderschaften zur Burg in der städtischen Armenfürsorge. Eine Besonderheit des Bruderschaftsbuchs der Bruderschaften zu St. Katharinen liegt darin, dass es einen Zugriff auf die städtischen, oft handwerklichen Mittelschichten erlaubt (zu ihnen jüngst Gustavs Strenga), die sonst selten in den Quellen greifbar werden (S. 275, 286). Viele der Befunde, die J. skizziert, liefern damit Material für künftige Fragestellungen, etwa zu den bisher noch nicht untersuchten städtischen Jägern oder der Manifestation der über die Stadtmauern hinausweisenden Beziehungen von Lübeckern in den Frömmigkeitspraktiken (S. 275–277). Eher beiläufig wird in den Quellen auch immer wieder die sozial disziplinierende Rolle von Bruderschaften und ihrer Konfliktregulierung sichtbar (S. 291–294, 316).

Philipp Höhn

(Rezensiert von: Philipp Höhn)