Laurent Macé (dir.), Jeux de miroir. Le sceau princier au Moyen Âge (XIe–XIVe siècle) (Tempus – Médiévale) Toulouse 2021, Presses univ. du Midi, 295 S., Abb., ISBN 978-2-8107-0738-6, EUR 28. – Der Aufsatzband widmet sich den fürstlichen Siegeln in der zweiten Hälfte des MA in einem geographischen Raum, der sich vom nördlichen Italien bis Brabant erstreckt, der Schwerpunkt jedoch liegt in Südfrankreich, zwischen den Ausläufern der Pyrenäen und den Alpen, in der Auvergne sowie im Rhônetal und der Rhônemündung. In seiner kompakten Einleitung betont der Hg. (S. 7–13), dass für das südliche Frankreich in jüngerer Zeit nur wenige Untersuchungen zu der dort durchaus reichhaltigen fürstlichen Siegelpraxis entstanden sind. Konkreter Anlass für den Band war ein im September 2016 durchgeführtes Kolloquium in Toulouse. Die hier versammelten Beiträge sollen einen Eindruck von den aktuellen Fragestellungen der Sphragistik vermitteln. Sie fokussieren auf figürliche Darstellungen und Symbole sowie auf die damit verbundenen, sich in den Siegeln manifestierenden Vorstellungen und Affirmationen der sozialen Repräsentation, des Rang- und Machtanspruchs der adeligen Eliten, auf einzelne Akteure und deren Wirkungsräume wie auf ihre dynastischen Verbindungen. Ausgehend von den allgemeinen historischen Rahmenbedingungen und methodisch breiten kunsthistorisch-systematisierenden Ansätzen verpflichtet, die sich in den Visual Studies verorten, geht es den Vf. insbesondere um eine mentalitätsgeschichtliche Perspektive, letztlich um den Versuch, die in die Siegel eingeschriebenen Bedeutungen zu dechiffrieren, mithin um die Frage, wie die Siegel den sozialen Status und die soziale Funktion der Siegelführer reflektieren, auf welche soziale Praxis sie treffen, welche bildlichen Traditionen und Vorbilder sie aufnehmen und welche Ideologien dahinter stehen. Auf die Einleitung folgen acht Studien, die zusammengenommen die Vielfalt der Siegelpraxis im Untersuchungsraum deutlich werden lassen und den Blick für die breiten kulturellen Einflusskorridore öffnen, die auf ihn wirkten. Sie sind in chronologischer Abfolge nach dem Auftreten der Siegel zwischen Ende des 11. und 14. Jh. angeordnet und nehmen im zweiten Teil des Bandes in besonderer Weise die Einflüsse des Hauses Brabant sowie der Kapetinger in den Blick. Bemerkenswert ist, dass sich die Hälfte der Beiträge mit Frauen als Siegelführerinnen befasst. Guilhem Dorandeu-Bureu (S. 17–62) beschäftigt sich mit einer doppelt, durch eine anhängende Bleibulle und ein aufgedrücktes Wachssiegel, besiegelten opulenten Gründungsurkunde des Grafen Heinrich von Monte Sant’Angelo aus dem Jahr 1098 für ein Xenodochium. Es folgen zwei Beiträge zu Darstellungen befestigter Städte im Siegelbild, die Stadtherrschaften bekräftigen: Dies demonstriert Yoann Solirenne (S. 63–85) am Beispiel Hugos III. von Burgund, der Ende des 12. Jh. in seinem Siegelbild Vienne im Rhônetal als befestigte Stadt zeigt. Laurent Macé (S. 87–113) ergänzt einen parallelen Fall: das Siegel Raimunds VII. von Toulouse, der in den 1230er und 1240er Jahren das befestigte Marseille in sein Siegel aufnahm. Adeline Vaysset (S. 115–149) befasst sich mit der Siegelpraxis der vier Schwestern Konstanze, Margarethe, Mathe und Guillelme aus dem Haus Moncade im 13. und 14. Jh., die sich in ihren Siegeln selbst darstellten und ihre Ansprüche in den Regionen Foix-Béarn und Armagnac formulierten. In einem weiteren Beitrag wendet sich V. (S. 153–199), ausgehend vom Beispiel der Alix von Brabant, Gräfin der Auvergne, den Darstellungen reitender höfischer Jägerinnen mit Falken auf der Hand zu, die im 13. Jh. in Europa aufkamen. Es folgt ein Beitrag von Yoann Solirenne (S. 201–228), der sich mit dem im 13. und 14. Jh. weit verbreiteten Motiv des Ritters in Kampfausrüstung auf dem Pferd beschäftigt und am Beispiel Humberts I. von Albon und Vienne den stilistischen Einfluss der Kapetingersiegel illustriert. Marine Perez (S. 229–256) folgt diesem Grundgedanken und arbeitet die Adaptionen kapetingischer Vorbilder in den Siegeln der französischen Königin Marie von Brabant und ihrer beiden Töchter Königin Margarethe von England und Herzogin Blanche von Österreich heraus, verweist jedoch zugleich auf die aus der eigenen dynastischen Herkunft motivierten Abweichungen und neuen Elemente. Jean-Luc Chassel (S. 257–289) untersucht schließlich den Repräsentationsanspruch im Siegel der Mathilde von Artois. Alle Beiträge werden durch Hinweise auf weiterführende Literatur ergänzt.
Andreas Hedwig
(Rezensiert von: Andreas Hedwig)