Dorothee Rippmann, Frömmigkeit in der Kleinstadt. Jenseitsfürsorge, Kirche und städtische Gesellschaft in der Diözese Konstanz, 1400–1530, Zürich 2022, Chronos, 316 S., 53 Abb., ISBN 978-3-0340-1654-4, EUR 68. – Die Arbeit widmet sich dem Totengedenken und der Jenseitsfürsorge in Form von Seelenheilstiftungen, einem in der Forschung wohlbekannten Untersuchungsgegenstand ma. Frömmigkeit, vor allem im Kontext einer evidenten Furcht vor den Qualen des Fegefeuers und der Möglichkeiten, Sünden durch gute Werke zu tilgen. Der Untersuchungsraum wurde auf die Kleinstadt Bischofszell bei Konstanz mit dem dort befindlichen Pelagiusstift und dessen dörflichen Filialen gelegt. In zwölf Kapiteln erkundet das Buch wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln von Einzelnen und Gruppen rund um das Totengedenken. Eröffnet wird es mit einer Präsentation ma. Jenseitsvorstellungen und ihrer Auswirkungen auf das komplexe Handeln verschiedener Akteure (S. 29–52), wobei die grundlegende Forschung ebenso herangezogen wird wie auch ma. Traktate. Es folgt eine Erläuterung der genutzten Quellengattungen und ihrer Potentiale für eine kombinierte Auswertung (S. 53–66). Kaum genug kann die fleißige Arbeit hinter der 292 Seiten umfassenden und frei zugänglichen Onlineedition der Quellen gewürdigt werden (http://www.chronos-verlag.ch/node/28269). R. hat mit Akribie alle relevanten Quellen zugänglich und damit der weiteren Forschung verfügbar gemacht. Das Corpus besteht v. a. aus Rechts- und Wirtschaftsquellen. Die zusätzlichen 65 bis dato unedierten Urkunden scheinen allerdings eine zu dünne Überlieferung zu sein, um verallgemeinerbare Aussagen hinsichtlich der grundlegenden Fragestellung treffen zu können, nämlich das „Universelle im Kleinen“ zu finden. Zudem sind Urkunden größtenteils formelhaft und lassen nicht zwangsläufig Aussagen über die Frömmigkeit der Stifter zu. Im Hauptteil entfaltet die Vf. eine Übersicht des Stiftungswesens in der Kleinstadt und dem näheren Umland, wobei immer wieder Textauszüge aus verschiedenen Quellen einfließen (S. 67–251). Der niedere Adel, die Bauernschaft, die Chorherren sowie Bewohner Bischofszells werden Kapitel für Kapitel mit ihren Stiftungen, Intentionen und unterschiedlichen Möglichkeiten als treibende Kräfte einer sakralen Verdichtung im Pelagiusstift herausgehoben. Es folgen Darstellungen zu den kollektiven Stiftungen zugunsten der dörflichen Filialkirchen Sulgen und Berg durch Bruder- und Schwesterschaften und zur damit verbundenen Intensivierung und Emanzipierung des kirchlichen Lebens dort. Der Zuwachs an verehrten Heiligen und die Inspiration durch das Konstanzer Münster (etwa der heilige Mauritius) werden ebenso thematisiert wie auch die anscheinend gegenüber städtischen Stiftungen stärker verbrieften Details zum Ablauf der Feiern und des beteiligten Personals. Leider bleibt die Vf. eine Erklärung dieses Unterschieds im Stiftungsverhalten schuldig. Die Struktur der Arbeit ist nicht immer nachvollziehbar. Aufmerksames Lesen ist gefordert, wenn etwa die Stiftungseinrichtung analysiert wird. Bei dieser trafen familiale, religiöse, wirtschaftliche und durchaus machtgeleitete Interessen und Handlungsmöglichkeiten aufeinander, die mit oftmals höchst komplexen Rechtskonstrukten zwischen zwei oder mehr involvierten Akteuren austariert werden mussten. Mit dem Blick auf das bäuerliche Totengedenken wird ein Weg beschritten, der zu weiterer Forschung anregt, da es sich um ein noch wenig thematisiertes Feld handelt. Das gilt auch für die nur kurz angerissene Schattenseite dieser Geschäfte, etwa die Veruntreuung seitens der Stiftungsempfänger. Die Studie gewährt einen mikroskopischen Einblick vor allem in die wirtschaftlichen und rechtlichen, aber auch spirituellen und mentalitätsgeschichtlichen Verflechtungen zwischen Stift, Kirche, Stadt und Land sowie den Agierenden im Untersuchungsraum. Im Fazit (S. 253–271) werden alle Aspekte auswertend zusammengeführt. Final ist zu sagen, dass die Arbeit keine überraschenden, sondern, entsprechend der ma. Stiftungslogik und Seelenheilsökonomie, erwartbare, aber auch interessante Ergebnisse im Detail präsentiert – also das „Universelle im Kleinen“.
Michael Hänchen
(Rezensiert von: Michael Hänchen)