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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Giuliano Mori, Pomponio Letoʼs De historia. A proto-antiquarian conception of history at the end of the fifteenth Century (RR inedita 93) Roma 2021, Roma nel Rinascimento, 109 S., Abb., ISBN 978-88-85800-18-2, EUR 16. – In dem schmalen Band legt M. erstmals eine kritische Edition mitsamt einer englischen Übersetzung der zweiten Redaktion der theoretischen Abhandlung De historia des italienischen Humanisten Julius Pomponius Laetus vor (S. 65–94). Pomponius, der den meisten als Gründer der Accademia Romana bekannt sein dürfte, setzt sich darin in 18 Kapiteln mit den Anforderungen, Begrifflichkeiten, Gattungen und dem Nutzen der Geschichtsschreibung auseinander. Sein Postulat einer an Fakten orientierten und demgemäß auf Interpretationen und rhetorisches Beiwerk verzichtenden Geschichtsschreibung, die M. als „proto-antiquarian“ und Vorstufe des sich im 16. Jh. herausbildenden Antiquarianismus beurteilt (S. 14f.), wird in der Einleitung im Kontext der von Humanisten des 15. Jh. geführten Debatte über adäquate Formen der Historiographie ausführlich analysiert (S. 5–52). Dabei stammen nur die wenigsten Passagen aus Pomponius’ eigener Feder: Rund 80 % des Textes basieren auf Zitaten lateinischer Klassiker wie der Historia Augusta, Ciceros rhetorischen Werken, Plinius’ Briefen und Gellius’ Noctes Atticae, derer Pomponius sich bediente, um sie zu einem neuen Text zusammenzusetzen, der seinem Verständnis von Geschichtsschreibung entsprach. Die Hinzunahme griechischer Quellen fiel dagegen marginal aus, wohl weil deren Verwendung dem des Griechischen wenig kundigen Pomponius sichtlich schwerfiel (zu den Quellen S. 22–25, 58). Als Leiths. liegen der Ausgabe sieben Blätter zu Grunde, auf denen Pomponius sein als De nomine historiae betiteltes opusculum notiert hatte und die erst nachträglich der Inkunabel Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Stamp. Ross. 441, bei der es sich um eine von Pomponius herausgegebene und bei Eucharius Silber in Rom 1490 gedruckte Ausgabe von Sallusts Opera handelt (ISTC is00075000; GW M39655), beigebunden wurden. Bis auf eine Ausnahme sind alle Textzeugen mit einer solchen Ausgabe aus Silbers Offizin verbunden. So haben sich zwei Abschriften in den Inkunabeln New York, Pierpont Morgan Library, 51414.2, und Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Inc.IV.974, erhalten. Zwei weitere, offenbar voneinander unabhängige Überlieferungsträger erwähnt M. nur am Rande: Modena, Bibl. Estense Universitaria, Gamma B.6.25, und Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Inc.II.111, eine 1481 bei Baptista de Tortis in Venedig gedruckte Ausgabe von Sallusts Opera (ISTC is00068000; GW M39621). Da letztere vermutlich Kopien einer früheren Redaktionsstufe von De historia darstellen, die Pomponius womöglich schon in den 1480er Jahren anhand seiner Vorlesungsmaterialien zu Sallusts Bellum Iugurthinum konzipiert hat, wurden sie in der vorliegenden Edition nicht berücksichtigt (S. 18–21). Bei der überschaubaren Überlieferung wäre zumindest ein Hinweis auf die Papierhs. Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana, Vat. lat. 3333, wünschenswert gewesen, in der Pomponius Laetus nicht nur eigenhändig Florus’ Epitome de Tito Livio kopiert, sondern zu Beginn auch ein paar Zeilen von De historia notiert hat. Wirklich zu bemängeln sind aber bei einer Edition von gerade einmal 15 Seiten die Lemmata im Kommentar, die zum Teil nicht mit dem Obertext übereinstimmen (S. 68 Anm. 7 commentaries statt commentarios; S. 79 Anm. 69 locuntur statt componitur; S. 79f. Anm. 79 efficere statt effecere; S. 80 Anm. 81 Cnei statt Pompei). Ein Namenregister erschließt den Band.

A. N.

(Rezensiert von: Anna Claudia Nierhoff)