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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Chronicle, Crusade, and the Latin East. Essays in Honour of Susan B. Edgington, ed. by Andrew D. Buck / Thomas W. Smith (Outremer 16) Turnhout 2022, Brepols, 375 S., Abb., ISBN 978-2-503-58620-5, EUR 89. – Die Festschrift ist der britischen Historikerin gewidmet, die sich um die Erforschung der Kreuzzüge verdient gemacht hat, insbesondere durch die erste kritische Edition der Chronik Alberts von Aachen, die sie mit einer reich kommentierten englischen Übersetzung 2007 publiziert hat (vgl. DA 65, 229f.). Der Band enthält eine Reihe von anregenden Beiträgen für die weitere Erforschung der Kreuzzüge, insbesondere im Hinblick auf die erzählenden Quellen, ihre Überlieferung und Metaphorik. Nach einer Einleitung aus der Feder der Hg. (S. 19–23) und einer Würdigung von William J. Purkis / Carol Sweetenham (S. 25–32) folgen drei Themenblöcke: Der erste befasst sich mit erzählenden Quellen zu den Kreuzzügen, vor allem mit der Überlieferung und den Abhängigkeitsverhältnissen von Hss. Thomas W. Smith (S. 35–49) macht auf eine Reihe von Manuskripten aufmerksam, die für die Edition der wichtigsten Kreuzzugschroniken (Gesta Francorum, Albert von Aachen, Fulcher von Chartres) noch nicht berücksichtigt wurden, aber einigen Aufschluss über die Rezeption der Texte bieten, nicht zuletzt im Hinblick auf das „scribal crusading“ von Mönchen. John France (S. 51–70) plädiert dafür, in der Historia Raimunds von Aguilers die früheste Chronik des ersten Kreuzzugs zu sehen, nicht in den Gesta Francorum eines unbekannten Autors. Stephen J. Spencer (S. 71–87) relativiert die Unabhängigkeit der Chronik Alberts von Aachen von anderen Quellen, indem er auf gewisse Gemeinsamkeiten mit den Gesta Francorum hinweist, die Albert nicht wörtlich, aber auditiv rezipiert haben könnte. Simon Thomas Parsons (S. 89–107) befasst sich mit dem literarischen Gestaltungsmittel der Teichoskopie, also der Schilderung von Ereignissen aus der „Mauerschau“ meist durch Frauen, die dadurch in den Kreuzzugserzählungen eine bislang übersehene Bedeutung erlangen. Katy Mortimer (S. 109–130) setzt die Schilderungen von Kannibalismus in den Chroniken des ersten Kreuzzugs in Bezug zum Alten Testament und macht deutlich, dass sie Teil eines Narrativs von Sünde und Erlösung waren. Natasha R. Hodgson (S. 131–147) diskutiert ‘Autorität’ in der Kreuzzugschronik Balderichs von Dol, die vor einigen Jahren neu herausgegeben und von Susan Edgington ins Englische übersetzt wurde. Beth C. Spacey (S. 149–164) untersucht Mirakelmotive in den ersten altfranzösischen Kreuzzugsepen. Der Beitrag leitet bereits über zum zweiten Teil der Festschrift, in dem historiographische Motive und Narrative diskutiert werden. Marcus Bull (S. 167–181) erläutert die Bezüge von De gestis Herwardi zu Kreuzzugsnarrativen. Martin Hall (S. 183–201), der bereits die Genueser Annalen übersetzt hat (vgl. DA 70, 722), plädiert für eine Übertragung der Pisaner Annalen des Bernardo Maragone ins Englische. Peter Edbury (S. 203–222) präsentiert plausible Überlegungen zur Entstehung der altfranzösischen Colbert-Fontainebleau-Fortsetzung des Wilhelm von Tyrus im Kreis um Johann von Brienne, einen der letzten Könige von Jerusalem. Helen J. Nicholson (S. 223–237) untersucht eine altfranzösische Erzählung über einen fiktiven Besuch Sultan Saladins im Hospital der Johanniter, die wohl zu Reflexionen über die Funktion des Ordens im 13. Jh. einladen sollte. Alan V. Murray (S. 239–252) zeigt, wie Graf Froben Christoph von Zimmern um 1560 sein Geschlecht in die Geschichte der Kreuzzüge einschrieb und dies mit einer Spukgeschichte zur Ermahnung seiner Nachkommen verband. Der dritte Teil der Festschrift wendet sich dann den Kreuzfahrerherrschaften im Heiligen Land und damit verwandten Themen zu. Carol Sweetenham (S. 255–271) stellt die These auf, die Geschichtsschreibung über die Eroberung Antiochias im Juni 1098 habe die Führungsschicht des Fürstentums später zu ungünstigen militärischen Entscheidungen verleitet. James Doherty (S. 273–283) erklärt die Tatsache, dass Fulcher von Chartres so wenig über die Ankunft neuer Kreuzfahrerkontingente berichtet, mit dessen negativer Sicht auf die Regierungszeit König Balduins II. Andrew D. Buck (S. 284–300) nimmt eine Bearbeitung von Fulchers Chronik in den Blick, die er als Mahnung für König Ludwig VII. von Frankreich deutet, auch nach dem Misserfolg des zweiten Kreuzzugs die Hilfe für die lateinischen Herrschaften im Heiligen Land nicht aus den Augen zu verlieren. Nicholas Morton (S. 301–314) zeigt, dass Pilger die von Byzantinern und Muslimen beherrschten Teile Kleinasiens im 11. und 12. Jh. meist unbehelligt durchqueren konnten, außer während der Kreuzzüge. Yvonne Friedman (S. 315–325) untersucht die Praxis des Gabentauschs im Rahmen von Gesandtschaften im lateinischen Osten. Andrew Jotischky (S. 327–339) outet die Jubilarin als Katzenliebhaberin und widmet ihr einen lehrreichen Essay über Großkatzen, genauer gesagt über die Wahrnehmung von Löwen im Heiligen Land. Der Band enthält eine Reihe von anregenden Beiträgen für die weitere Erforschung der Kreuzzüge, insbesondere im Hinblick auf die erzählenden Quellen, ihre Überlieferung und Metaphorik. Am Ende stehen ein Register der Namen und Orte sowie eine Tabula gratulatoria, welche die internationale Vernetzung von Susan Edgington eindrucksvoll illustriert.

Georg Strack

(Rezensiert von: Georg Strack)