Vom Schreiben und Sammeln. Einblicke in die Göttweiger Bibliotheksgeschichte, hg. von Astrid Breith unter Mitarbeit von Nikolaus Czifra / Christine Glassner / Magdalena Lichtenwagner (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 74) St. Pölten 2021, Verlag NÖ Institut für Landeskunde, 320 S., zahlreiche Abb., ISBN 978-3-903127-34-0, EUR 20. – DOI: doi.org/10.52035/noil.2021.stuf74. − Der Sammelband präsentiert Ergebnisse eines am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung Schrift- und Buchwesen, durchgeführten, vom Fonds zur Förderung der Wissenschaften 2013–2018 finanzierten Projekts. Forschungsgegenstand waren sowohl die in situ befindlichen als auch die abgewanderten, vor 1400 entstandenen Manuskripte des 1094 gegründeten Benediktinerstifts Göttweig in Niederösterreich. Im Laufe des Projekts wurden Beschreibungen von insgesamt 233 und Digitalisate von über 60 Hss. in die Website manuscripta.at integriert. Nikolaus Czifra (S. 13–62) widmet sich unter dem Titel „Aspekte der Bestandsgeschichte“ unter anderem den ma. Bücherlisten des Stifts, der Geschichte der mit Lorsch in Beziehung gesetzten Hss. Wien, Österr. Nationalbibl., Cod. 203 und Cod. 510, den Vorlagen ausgewählter Textcorpora, der Hss.-Produktion in Göttweig im 14. Jh. und Provenienzen im Göttweiger Bibliotheksbestand. Astrid Breith (S. 63–96) beschäftigt sich auf der Basis von rund 120 kodikologischen Einheiten des 12. Jh. mit den in Göttweig tätigen Schreibern und stellt jene Codices vor, von denen ausgehend paläographische Beziehungen zu zahlreichen weiteren Hss. gezogen werden können. Dem Aufsatz sind zahlreiche, jedoch mitunter leider kleine, für einen Schriftvergleich ungeeignete Abbildungen beigegeben. Weitere Artikel der Vf. (S. 97–133) sind Cod. 30, einem Psalter aus der Mitte des 9. Jh., sowie den ältesten Schriftzeugnissen des Stifts, dem in Cod. 82 überlieferten Lexicon Tironianum (Salzburg?, 1. Hälfte 9. Jh.) und den dieser Hs. ursprünglich wohl beigelegten Itala-Fragmenten aus dem 6.–7. Jh. (heute unter der Signatur Fragm. lat. 1/a und 1/b verwahrt) gewidmet. Magdalena Lichtenwagner (S. 135–150) befasst sich mit der Physiologus-Überlieferung in Göttweig, Gábor Sarbak (S. 151–167) gibt einen Überblick über die Geschichte des 1414 gegründeten Paulinerklosters Ranna in Niederösterreich und listet die im 18. Jh. nach Göttweig gelangten insgesamt 31 Hss. seiner Bibliothek auf. Christine Glassner (S. 169–194) verzeichnet 50 abgewanderte Hss. aus der Göttweiger Bibliothek. Mindestens 28 werden heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien verwahrt; der Aufbewahrungsort der Göttweiger Hs. 391 konnte erstmals ermittelt werden (Minneapolis, Univ. Library, Ms. B 1475 fMA). Als Anhang wird ein „Kurzkatalog der Handschriften des Benediktinerstiftes Göttweig von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts“ (S. 217–281) mit einem „Überblick über die in den Codices überlieferten Haupttexte“ (S. 217) geboten. Da ein – ausführlicherer – Überblick ohnedies auf manuscripta.at zur Verfügung steht, wäre ein Register zu den im Rahmen des Projekts erschlossenen Hss. vielleicht sinnvoller gewesen. Um die vorliegenden Erkenntnisse zur Geschichte des Göttweiger Skriptoriums im 12. Jh. besser nachvollziehen zu können, wäre es wünschenswert, die Digitalisierung zumindest der vor 1200 zu datierenden Hss. Göttweiger Provenienz fortzusetzen.
Alois Haidinger
(Rezensiert von: Alois Haidinger)