Religiöse Frauengemeinschaften am südlichen Oberrhein, hg. von Christine Kleinjung unter Mitarbeit von Timo Bollen / Holger Schmidt (Oberrheinische Studien 43) Ostfildern 2021, Thorbecke, 253 S., Abb. u. Tafeln, ISBN 978-3-7995-7842-4, EUR 34. – Die elf Beiträge gehen auf eine Tagung von 2017 zurück, deren Programmatik die Hg. in ihrer Einführung (S. 9–14) umreißt: Im Rahmen eines Projekts, das sich der archivischen Erschließung von Beständen wenig erforschter Klöster widmet, sollen die gehobenen Archivschätze nunmehr auf Lebensformen und Normierung sowie Kommunikations- und Geschlechterbeziehungen in Wirtschaft und Verwaltung befragt werden. In ihrem Aufsatz veranschaulicht K. (S. 17–29) anhand der Gemeinschaften von Waldkirch und Säckingen, wie schwierig es ist, für einzelne Frauengemeinschaften Ordenszugehörigkeit oder Regelbefolgung festzustellen. Beide Angaben fallen je nach Zeit und Autoren erstaunlich unterschiedlich aus; Päpste, Bischöfe und weltliche Herrscher hatten divergierende Blicke auf die Frauen, die ihre eigene Lebensweise nicht selten ganz anders auffassten. Ähnlich aufschlussreich ist Jürgen Dendorfers (S. 31–59) Blick auf das Ende des Klosters Waldkirch; er kann zeigen, dass in Waldkirch als einem „durchaus spannungsreichen Ort der Begegnung“ (S. 44) von geistlichen Frauen und Männern letztere die Initiative ergriffen und mit Unterstützung hoher Prälaten, an die sie während des Basler Konzils supplizierten, Waldkirch 1431 in ein männliches Kollegiatstift umwandelten. Fünf Beiträge sind den Geschlechterverhältnissen rund um cura monialium und Wirtschaftsführung gewidmet. Bettina Schöller (S. 63–79) beschreibt die Gratwanderung des Klosters Hermetschwil „zwischen Abhängigkeit und Selbstbehauptung“ (S. 63) im Verhältnis zum Männerkloster Muri, mit dem es ursprünglich ein Doppelkloster bildete. Erst im Laufe mehrerer Jahrhunderte erlangten die Nonnen mehr Autonomie in der Wirtschaftsführung und sogar politische Handlungsspielräume. Darum kämpften auch die Frauengemeinschaften von Berau, Sitzenkirch und Gutnau, die bislang so gut wie unerforscht sind. Johannes Waldschütz (S. 81–102) sondiert die Quellensituation und kann in den Auseinandersetzungen der Frauen mit den übergeordneten Männerklöstern St. Blasien und Bürgeln parallele Bestrebungen bei unterschiedlichen Ergebnissen konstatieren. Alle Frauengemeinschaften praktizierten eine weniger strikte Klausur und eine mehr stiftische Lebenspraxis unter der Benediktregel. Am Beispiel der Frauenstifte Oberstenfeld und Augsburg widmet sich Agnes Schormann (S. 103–123) den vielfältigen Außenbeziehungen der Kanonissen in ihrem Verhältnis zum Bischof, zu den Kanonikern der Stifte und zu ihren Familien; besonders die Statuten lassen die starke Verflechtung der Häuser mit ihrer Umwelt erkennen. Maria Magdalena Rückert (S. 125–141) verfolgt die Anfänge der Zisterzienserinnen von Günterstal, Wonnental und Marienau bis zur Inkorporation in den Orden und stellt heraus, dass die Tochterbeziehungen zu den Männerzisterzen Lützel und Tennenbach eine enge Kooperation im Bereich der Wirtschaft und der zugehörigen pragmatischen Schriftlichkeit zur Folge hatten, zum Vorteil aller Beteiligten, die die Klöster zur Wohlstand und kultureller Blüte führten. Tabea Scheible (S. 143–166) konzentriert ihre Untersuchung der cura monialium im Dominikanerinnenkloster Steinheim an der Murr auf die Zeit nach der Einführung der Observanz 1478, die mit einem neuen Rechnungsbuch einherging. Dieses spiegelt – neben anderen Quellen – Visitationen und geistliche Betreuung durch Ulmer und Wimpfener Dominikaner wider. Weitere Beiträge sind dem Verhältnis weiblicher Gemeinschaften zu weltlichen Gewalten gewidmet. Clemens Regenbogen (S. 169–185) demonstriert anhand eines Vergleichs der Klöster Waldkirch und Säckingen, wie unterschiedlich sich die Zusammenarbeit mit dem Vogt gestalten konnte; gedeihliches Zusammenwirken der Habsburger mit den Frauen in Säckingen kontrastiert mit den andauernden Streitigkeiten zwischen der Waldkircher Gemeinschaft und den Vögten aus dem Haus Schwarzenberg, die auch beteiligt waren an der Umwandlung Waldkirchs in ein Chorherrenstift, wie im Beitrag von Dendorfer beschrieben. Ergänzend zu diesen Ausführungen befasst sich Andre Gutmann (S. 187–214) mit dem Meieramt in beiden Gemeinschaften, das gleichsam die Rolle der Vögte umkehrt: Die Meier in Säckingen konnten in Abwesenheit der fernen Habsburger Vögte ein lukratives und mächtiges Amt ausüben, die Waldkircher Meier hatten hingegen nur eine untergeordnete Stellung inne. Abschließend diskutiert Milena Svec Goetschi (S. 217–228) den kirchenrechtlichen Rahmen und Beispiele von Klosterflucht und Klosterwechsel in Ottmarsheim, Säckingen und Wonnental, und Helen Strotz (S. 229–238) stellt die Gründung des Klosters Wonnental als Hauskloster der Herren von Üsingen in einen Zusammenhang mit institutionellen Bindungen der Üsinger an die Zisterze Tennenbach, wo sie Schutzfunktionen im Sinne einer Untervogtei ausübten.
Letha Böhringer
(Rezensiert von: Letha Böhringer)