Stephan Lauper, Das ‘Briefbuch’ der Strassburger Johanniterkommende Zum Grünen Wörth. Untersuchungen und Edition (Scrinium Friburgense 53) Wiesbaden 2021, Reichert, 464 S., 30 Abb., ISBN 978-3-7520-0599-8, EUR 110. – Die an der Univ. Fribourg entstandene literaturwissenschaftliche Diss. bietet eine Neuedition des sogenannten „Briefbuchs“ der Johanniterkommende zum Grünen Wörth in Straßburg (Archives départementales du Bas-Rhin, Cod. H. 2185). Die Hs., die ihren Namen von einer darin enthaltenen Sammlung von 22 Briefen erhielt, ist im Zusammenhang mehrerer Memorialbücher in Straßburg entstanden, die zur Erinnerung an die Stiftung des Patriziers und Kaufmanns Rulman Merswin († 1382) erstellt wurden, der sich in das Kloster zum Grünen Wörth zurückgezogen hatte. Die Edition, die alle Teile der Hs. umfasst, soll eine neue Grundlage zur Erforschung der Literatur der Straßburger Johanniterkommende und Rulman Merswins liefern. Diese war bisher, wie L. in einem kurzen Forschungsüberblick skizziert, als minderwertig im Vergleich zu anderer mystischer Literatur etwa eines Johannes Tauler oder Heinrich Seuse abgetan worden. Der Neuedition vorangestellt ist ein ausführlicher Untersuchungsteil, der sich kodikologischen und paläographischen Aspekten des Briefbuchs, seiner inhaltlichen Konzeption und dem historischen Kontext widmet. L. kann anhand des Einbands zeigen, dass es sich um ein Kettenbuch handelte, das allen Konventsmitgliedern jederzeit zur Verfügung stehen sollte. Die Analyse von Wasserzeichen und datierten Briefen führt zu der Erkenntnis, dass der Codex um 1400 von einem Schreiber in einem Zug geschrieben wurde. Entgegen früheren Vermutungen kann L. den Sekretär Merswins, Nikolaus von Löwen, als Schreiber ausschließen. Die in dem Briefcodex eingebundenen Autographen, Das Fünfmannenbuch des sogenannten Gottesfreundes im Oberland und die Bekehrungsgeschichte Vier Jahre von Rulman Merswin, werden beide letzterem zugeschrieben. Der als Briefautor auftretende Gottesfreund, um dessen Identifizierung die frühere Forschung bemüht war, wird von L. als reine Fiktion interpretiert. Anders als Christiane Krusenbaum-Verheugen (2013, vgl. DA 70, 741f.), die dessen Dialekt als frei erfunden darstellte, erkennt L. Übereinstimmungen mit alemannisch-schwäbischen Spracheigenheiten und geht hier von einer gezielten Verfremdung des oberländischen Dialekts aus. Die materielle Gestaltung und der inhaltliche Aufbau lassen den Codex als Gesamtkonstrukt erscheinen, in dem für die Gemeinschaft Zum Grünen Wörth zentrale Texte zusammengestellt wurden. Rubriken, die auch im vorliegenden Druck rot wiedergegeben werden, strukturieren nicht nur den Text, sondern setzen die einzelnen Texte zueinander in Beziehung und geben die Leserichtung vor. Kommentare erläutern zudem die eingebundenen Autographen, die wie Reliquien der Stifter im Konvent behandelt und bewahrt werden sollen. L. zählt das Briefbuch zum Typ der Konventsbücher. Deren Funktion war es, nicht nur für den aktuellen Konvent, sondern auch und gerade in Zeiten von Reformen für zukünftige Mitglieder identitätsstiftend zu wirken. Die Entstehung des Briefbuchs fällt in die Zeit kurz nach der Stiftung Merswins (1366/67) und der Inkorporation in den Johanniterorden (1371), nach der der Grüne Wörth bald als Reformkommende im Oberland galt, die sich ihrer Traditionen versichern musste. Neben der Neuedition des Briefbuchs und seiner Einordnung in den Kontext vergleichbarer Memorialbücher liegt das besondere Verdienst der Arbeit in der Herausstellung des Zusammenhangs von Reform und Buchkultur, der bei den Ritterorden, zumal bei den Johannitern, bisher kaum untersucht wurde. Der mit zahlreichen erläuternden Anhängen und 26 farbigen Abbildungen versehene Band regt daher nicht nur zu weiterführenden Forschungen an, sondern bietet auch eine hervorragende Grundlage dafür.
Maria Magdalena Rückert
(Rezensiert von: Maria Magdalena Rückert)