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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Leonie Exarchos, Lateiner am Kaiserhof in Konstantinopel. Expertise und Loyalitäten zwischen Byzanz und dem Westen (1143–1204) (Mittelmeerstudien 22) Paderborn 2022, Brill – Schöningh, XIV u. 458 S., 6 Abb., 1 Karte, ISBN 978-3-506-76098-2, EUR 128. – Die Studie entstand als Diss. an der Univ. Göttingen unter der Leitung von Frank Rexroth und überschreitet vielfach den Charakter dessen, was man unter einer Diss. erwartet. Die Studie, so schreibt die Vf., „untersucht eine spezielle Kategorie von Mittlern, nämlich Lateiner, die nach Byzanz kamen und dort ihr Wissen und Können einbrachten“ (S. 4). Sie konzentriert sich dabei auf drei Wirkungsfelder: Sprache, Religion und Politik, und wählt hierfür einen Zeitraum, in dem wie in keinem anderen Byzanz den Lateinern offen stand: die Epoche Manuels I., fortgeführt bis zum Fall der Kaiserstadt 1204. In der Kürze, die an dieser Stelle gefordert ist, teilen wir die Kapitelbezeichnungen mit: 1. Einleitung: Forschungsstand, Lateinerbegriff und seine Definition (erstmals in der bisherigen Literatur in dieser Klarheit), Quellen (die später, S. 393–402, in beeindruckender Fülle aufgelistet sind). 2. Rahmenbedingungen – Wissensräume – Träger von Wissen: Die Lateiner im byzantinisch-höfischen Kontext. 3. Die Sprache: Das Wirken von Lateinern als Dolmetscher und Übersetzer. 4. Die Religion: Das Wirken von Lateinern als Theologen. 5. Die Politik: Das Wirken von Lateinern als Gesandte. 6. Die Verstetigung des Expertenstatus. 7. Zwischen Byzanz und dem Westen: Konflikte, Loyalitäten und Identifikationen. 8./9. Zusammenfassungen in deutscher und englischer Sprache. Im Register (S. 451–458) hätte man sich gewünscht, dass mehr Sachbegriffe aufgenommen worden wären. Die einzelnen Kapitel sind mit geschickten Fragestellungen vielfach untergliedert, so dass die Quellen in jeder erdenklichen Weise förmlich ausgepresst werden. Persönlich haben mich die Kapitel 3, 4 und 5 am meisten beeindruckt. Das letztgenannte Kapitel 5 ist gleichzeitig eine Sozialgeschichte zu den Gesandten, wie es die vielen Untersuchungen zur Diplomatie aus jüngster Zeit nicht einmal im Ansatz unternommen haben. Seit den ersten Arbeiten zu Übersetzungen, Übersetzern und Gesandten durch Charles H. Haskins und Adolf Hofmeister vor fast 100 Jahren sind viele weitere Editionen und Einzelstudien zu diesem Zeitraum erschienen, die einen neuen Überblick mit neuen methodischen Ansätzen dringend erforderten, der hier nun vorliegt. Das Buch ist gleichermaßen für den Byzantinisten wie den Mediävisten lehrreich und nützlich. Die Vf. hat eine der intellektuell glanzvollsten Perioden des byzantinischen Reichs in einer herausragenden Darstellung unter vielfach ganz neuen Gesichtspunkten erschlossen.

Peter Schreiner

(Rezensiert von: Peter Schreiner)