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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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La diplomatie byzantine, de l’Empire romain aux confins de l’Europe (Ve–XVe s.) Actes de la Table-Ronde „Les relations diplomatiques byzantines (Ve–XVe siècle): Permanences et/ou changements“, XXIIIe Congrès International des Études Byzantines – Belgrade, Août 2016, éd. par Nicolas Drocourt / Élisabeth Malamut (The Medieval Mediterranean 123) Leiden / Boston 2020, Brill, VIII u. 470 S., 11 Abb., 2 Karten, ISBN 978-90-04-43180-5, EUR 125. – Der Band ist in vier Teile gegliedert und umfasst zwölf Beiträge. Die ersten drei Teile entsprechen Perioden der byzantinischen Geschichte und bringen isolierte Fallbeispiele. Audrey Becker (S. 21–39) behandelt die Verhandlungen mit den Völkern des Ostens (Perser und Hunnen) im 5. Jh., Ekaterina Nechaeva (S. 40–57) zwei im Grunde wenig charakteristische Einzelbeispiele von römischen Offizieren, die in ihren Verhandlungen mit den Persern kollaborierten. Der zweite Teil umfasst das 9.–12. Jh. und beginnt mit der rätselhaften Gesandtschaft des Photios, bei der Jakub Sypiański (S. 61–112) für Verhandlungen in Cordoba plädiert. Dem Vf. blieb verborgen, dass diese Gesandtschaft heute überwiegend als Fiktion betrachtet wird (vgl. F. Dölger, Regesten 1,1, 22009, vgl. DA 66, 684, Regest 451 – dem Vf. unbekannt). Jean-Pierre Arrignon (S. 113–128) behandelt mit dem byzantinisch-russischen Vertrag von 944 ein (heute) hochaktuelles Thema, doch kann von einer Staatsgründung 944 nicht die Rede sein, denn sie fand doch eher mit der Hinwendung zur Orthodoxie 988/89 statt. Élisabeth Malamut (S. 129–155) übersetzt und analysiert die Formeln der diplomatischen Korrespondenz mit den Bulgaren im Zeremonienbuch des Konstantin Porphyrogennetos. Im dritten, spätbyzantinischen Teil behandelt Brendan Osswald (S. 159–174) den Vertrag von 1279 zwischen Karl von Anjou und Nikephoros I. von Epiros. Der Vf. hat leider die 2015 erschienene Arbeit von Rudolf Stefec zu den Regesten der Herrscher von Epiros (Römische Historische Mitteilungen 57, 2015, S. 15–120) nicht zur Kenntnis genommen. Der folgende, umfangreichste Beitrag von Christian Gastgeber (S. 175–272) ist ein grundlegender und kenntnisreich ausgearbeiteter Aufsatz zur Diplomatik, der sich überwiegend anhand übersichtlicher Tabellen mit der Korrespondenz zwischen Byzanz und westlichen Herrschern auseinandersetzt, mit Sprache und Material der Dokumente und mit den Übersetzern der Schriftstücke. Mickaël Bourbeau (S. 273–284) behandelt die Frage, inwieweit die Reise Kaiser Manuels II. in den Westen (1399–1402) ein Erfolg war oder in ihren Zielen gescheitert ist. Er hebt zu Recht hervor, dass die Reise Manuels Möglichkeiten zu persönlichen Kontakten erweitert hat, und sieht darin eine neue diplomatische Politik. Er weist aber nicht darauf hin, dass diese schon sein Vater Johannes V. eingeleitet hat (Ungarn, Rom, Venedig) und dass sein Sohn Johannes VIII. sie fortsetzte (1424, 1437–1440). Eigentlich ist die Frage des Vf. aber überhaupt gegenstandslos, weil die Reise nach der osmanischen Niederlage abgebrochen wurde und von Erfolg oder Misserfolg nicht mehr die Rede sein konnte. Erst im 4. Teil folgen jene Überblicke, die über die speziellen Informationen der ersten drei Teile hinausführen. Jonathan Shepard (S. 287–315) untersucht für den gesamten Zeitraum vom 5. bis zum 15. Jh. die Militärdiplomatie zur Anwerbung von Truppen. Nebojša Porčić (S. 316–332) geht auf Konstanten und Wandel in der serbischen Diplomatie ein. Leider gibt es keinen parallelen Beitrag zur bulgarischen Diplomatie, die sich vom 7. bis zum 14. Jh. erstreckt. Einem aktuellen Aspekt, der Rolle der Frau in der byzantinischen Politik, wendet sich Nike Koutrakou (S. 333–378) zu. In diesem Zusammenhang darf die Heiratspolitik nicht fehlen, der Élisabeth Malamut (S. 379–454) vom 8. bis zum 15. Jh. ausführlich nachgeht. Der Gesamteindruck des Bandes bleibt zwiespältig. Es wäre nötig, einmal etwas zum Begriff „byzantinische“ Diplomatie zu sagen. Die ersten drei Teile bestehen aus Fallbeispielen, mit denen nur der intime Kenner einer Periode etwas anfangen kann. Sie sind ein typisches Ergebnis der immer mehr um sich greifenden Seuche der „Tableronditis“, die sich durch Zufälligkeit der Beispiele und Zusammenhanglosigkeit auszeichnet, auch wenn der einzelne Beitrag in sich geschlossen ist. Positiv hervorzuheben sind die reichen bibliographischen Angaben, die eigene Weiterarbeit erleichtern. Das Dictum von Dimitri Obolensky aus dem Jahr 1961, „la diplomatie byzantine attend encore son historien“, bleibt weiterhin gültig, und Colloquiumsbände können allenfalls Gedanken und Anregungen vermitteln, da es eines stringenten Konzepts bedarf, nicht hübscher Mosaiksteinchen.

Peter Schreiner

(Rezensiert von: Peter Schreiner)