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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,2 (2023) *.

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Anne Curry / Rémy Ambühl, A Soldiers’ Chronicle of the Hundred Years War. College of Arms Manuscript M 9, Woodbridge 2022, D. S. Brewer, XV u. 455 S., Abb., ISBN 978-1-84384-619-2, GBP 90. – Der Band bietet die erste wissenschaftliche Edition einer französischsprachigen Chronik, welche Ereignisse des Hundertjährigen Kriegs von der Invasion Heinrichs V. in Frankreich 1415 bis zur Ankunft von Jeanne d’Arc vor Orléans 1429 erzählt. Sie liegt im College of Arms (London) unter der Sigle M 9 und zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus: Sie wurde in England auf Französisch geschrieben, was für diese Zeit einzigartig ist; sie beinhaltet zahlreiche, teilweise sehr umfangreiche Listen von englischen, schottischen und französischen Kriegsteilnehmern; und schließlich liefert sie mehr Informationen über die englische Eroberung von Maine als andere zeitgenössische Texte. Neben der Edition selbst (S. 175–229) werden eine kommentierte englische Übersetzung (S. 231–374) und eine sehr ausführliche Einleitung (S. 1–174) geboten. Da der Text ausschließlich in einer einzigen Papierhs. überliefert ist, sind die editorischen Herausforderungen begrenzt. Sehr aufwendig hingegen gestaltet sich die Identifikation der genannten Personen; diese ist in einem ausführlichen Apparat der zuverlässigen englischen Übersetzung angefügt, auf welcher der Fokus der Publikation liegt. Hier werden Verbindungen zu dem Datenbankprojekt ‘The Soldier in Later Medieval England’ (medievalsoldier.org) deutlich. Die exzellente Einleitung bietet eine Reihe von Informationen und Interpretationen zur Chronik, die von Bemerkungen zum Autorenteam, das im Umfeld John Fastolfs zu verorten ist, über linguistische Überlegungen zum Französisch des Texts bis zum Nachleben und der Nutzung der Chronik in der frühen Neuzeit (bis zu William Shakespeare) reichen. Darunter finden sich auch Überlegungen dazu, wie der Krieg dargestellt wird; diese kommen – oftmals auf Grundlage statistischer Argumentation – zu interessanten Ergebnissen: „M 9 is a chronicle about ‘men of name’“ (S. 94), was u.a. die Menge an Listen erklärt, und setzt in eindeutig pro-englischer Absicht immer wieder ritterliche Heldentaten ins Zentrum. Dazu gehört etwa auch, dass der Einsatz von Kanonen, der offenbar als wenig ritterlich gedeutet wird, nur der französischen Seite zugeschrieben wird. Die Chronik, die von Kriegsteilnehmern für Kriegsteilnehmer verfasst wurde, liefert spannende Einblicke in deren Vorstellungswelten. Eine ausführliche Bibliographie, diverse Indices und Karten komplettieren dieses sehr interessante Buch.

Martin Clauss

(Rezensiert von: Martin Clauss)