Frank Engel, Das Kölner Domkapitel in der Zeit Erzbischof Dietrichs II. von Moers (1414–1463). Kirchenpolitik und Landesherrschaft im nördlichen Rheinland und in Westfalen (Studien zur Germania Sacra, N. F. 12) Berlin / Boston 2022, De Gruyter Akademie Forschung, 567 S., ISBN 978-3-11-072705-0, EUR 144,95. – Die Bonner Diss. behandelt eine wichtige Phase der niederrheinisch-westfälischen Landesgeschichte. In der Zeit des Kölner Erzbischofs Dietrich von Moers entschied sich, wie weit das Erzstift im Prozess der Territorialisierung mit den umliegenden Fürstentümern mithalten konnte. Das Ergebnis ist bekannt und führte oft zu einer negativen Bewertung Dietrichs, der ein überschuldetes und kaum mehr handlungsfähiges Erzstift hinterließ. Die Rolle des Domkapitels als Partner und Antipode des Erzbischofs war dabei ein entscheidender Faktor. Dass es dennoch bisher eher wenig beachtet wurde, macht die Arbeit umso wichtiger. Nahe an den Quellen und mit hohem Detaillierungsgrad verfolgt E. nach einem kurzen Blick auf die innere Verfassung des Domkapitels seine Beziehungen zu den relevanten Akteuren des niederrheinisch-westfälischen Raums: zum Erzbischof, zu den großen Männerstiften des Erzbistums, zur Stadt und Universität Köln sowie zu den Herrschern von Jülich-Berg-Heinsberg und Kleve-Mark. Überschneidungen und Wiederholungen hemmen dabei bisweilen den Lesefluss, ermöglichen es aber auch, die einzelnen Kapitel handbuchartig zu nutzen. Geboten werden alle greifbaren Hinweise auf die Beziehungen des Domkapitels insgesamt oder einzelner Domherren zu diesen Akteuren, die allerdings nicht zu einer regelrechten Netzwerkanalyse verdichtet werden. Auch verzichtet der Vf. zum Schaden der Argumentation bisweilen auf eine Einsichtnahme in die Quellen und belässt es bei der Konsultation der archivischen Findmittel. Dennoch kann E. immer wieder die ältere Forschung korrigieren und neue Einsichten auf das vielschichtige Handeln der durch vielfältige Verwandtschafts- und Klientelbeziehungen verwobenen Eliten gewinnen. Das Domkapitel tritt dabei nur selten als einheitlich handelnde Institution in Erscheinung. Die Domherren bzw. Fraktionen von ihnen verfolgten vielmehr so häufig eigene Agenden sowie die ihrer Familien, dass sich die Frage stellt, ob der moderne, institutionenzentrierte Blick der Lebenswelt des 15. Jh. überhaupt gerecht werden kann. Kaum überraschend lässt sich jedenfalls die Politik des Domkapitels nicht auf einen Nenner bringen. Kooperation mit dem Erzbischof und ein Bewusstsein für eine Mitverantwortung für das Wohlergehen des Erzstifts stehen neben Gegnerschaft und persönlichen Interessen. So ergibt sich ein unübersichtliches Bild, dessen Aufarbeitung E. zu danken ist. Er ebnet den Weg für weitere Forschungen, und sein Buch wird noch lange von allen zur Hand genommen werden, die sich mit Domkapitel oder Erzstift Köln im 15. Jh. befassen. Die Biogramme der Domkanoniker im Anhang werden dabei ein unverzichtbares Hilfsmittel sein.
Max Plassmann
(Rezensiert von: Max Plassmann)