DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Christian, Jewish, and Muslim Preaching in the Mediterranean and Europe. Identities and Interfaith Encounters, ed. by Linda G. Jones / Adrienne Dupont-Hamy (Sermo 15) Turnhout 2019, Brepols, 337 S., Abb., ISBN 978-2-503-58271-9, EUR 100. – Der Sammelband ist das Ergebnis zweier Workshops an der Univ. Pompeu Fabra (Barcelona) zur ma. Predigt und vereint zwölf Beiträge. Anhand von Fallbeispielen wird aufgezeigt, wie in der Gattung Predigt, die als frühes Instrument der Massenkommunikation verstanden wird, Fragen der Identität bzw. Alterität in Bezug auf die religiöse Zugehörigkeit oder Genderzuordnungen diskutiert werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Predigten, die im iberisch-italischen Raum und in Nordeuropa entstanden sind. Der Band ist in drei thematische Abschnitte gegliedert. Im ersten wird in vier Beiträgen aufgezeigt, wie die Prediger ihre Texte speziell auf die jeweilige Hörerschaft ausrichteten. So greift beispielsweise Odo von Châteauroux vor dem Schwesternkonvent in Orvieto vor allem auf biblische Frauenfiguren zurück, um deren Leidensfähigkeit zu beschreiben (Jussi Hanska / Sari Katajala-Peltomaa, S. 25–49). Eine ähnlich spezifische Ausrichtung lässt sich in zwei Texten aus dem Umfeld des Hugo von Digne beobachten, der in diesen als ein ebenso sensibler Prediger im Umgang mit seinen Hörern beschrieben wird (Damien Ruiz, S. 51–67). Olivier Brisville-Fertin (S. 69–91) geht das erste Mal der Frage nach, inwieweit sich in der Aljamiado-Literatur (Texte in europäischen Sprachen, die in arabischer Schrift überliefert sind) auch Predigten bzw. predigtartige Texte finden. Die Auflistung relevanter Hss. erlaubt eine erste inhaltliche Kategorisierung und mögliche Interpretationen mit Blick auf andere Gattungen islamischer Literatur und auf die Bedeutung der Predigt in der spanisch-muslimischen Minderheit. Dass fremde religiöse Gemeinschaften auch dann als gegenwärtig empfunden und für ein Geschehen verantwortlich gemacht werden können, wenn sie in der Lebensrealität gar nicht vorkommen, ist Gegenstand von Jonathan Adams (S. 93–119). Dieses Argumentationsmuster der ‘absent presence’ wird am Beispiel christlicher Passionspredigten aus dem ma. Norwegen vorgeführt, in denen ‘den Juden’ exzessive Gewalt zugeschrieben wird. Die ausführliche Darstellung der Gewalt soll zugleich beim Leser zu einem intensiveren Mit-Leiden führen. Der zweite Abschnitt nimmt die jüdisch-christlichen Beziehungen in den Blick und beginnt mit einem Überblick von Oriol Catalán (S. 123–146) über antijüdische Predigten im spätma. Spanien zwischen 1263 und 1492, die als Teil eines größeren antijüdischen Narrativs interpretiert werden. Anschließend stellt Amélie De Las Heras (S. 147–174) die Predigten des Martin von León überzeugend als ein Textcorpus zur Stärkung der eigenen christlichen Gemeinschaft vor, nicht zur Konversion jüdischer Rabbiner. Mit Vincenz Ferrer steht bei Carolina M. Losada (S. 175–194) erneut ein Prediger im Mittelpunkt, der nach dem Muster der ‘absent presence’ die Juden als Gegenbild stilisiert. Ram Ben-Shalom (S. 195–223) zeigt auf, wie die Predigttätigkeit von Thomas Connecte und Vincenz Ferrer in der jüdischen Predigtliteratur des Isaac Nathan einem breiteren jüdischen Publikum vorgestellt wurde. Der dritte Abschnitt ist dem christlich-muslimischen Kontakt gewidmet. Xavier Renedo Puig (S. 227–249) zeigt, dass drei als Reden stilisierte Texte, die die geplante Eroberung Mallorcas im Jahr 1228 diskutieren, die historiographischen Gattungen der Chronik bzw. Memoiren imitieren und in ihrem Aussagegehalt variieren. Nirit Ben-Aryeh Debby (S. 251–272) führt vor, wie Johannes von Capestrano nach dem Fall Konstantinopels in Italien auch in der ikonographischen Tradition als überzeugender Kreuzzugsprediger inszeniert wird. Eine Geschichte über die Konversion von zehn Mönchen zum Islam wird von Linda G. Jones (S. 273–299) als Erfindung des 14. Jh. plausibel gemacht. Die Analyse eines noch unedierten Streitgesprächs zwischen einem Franziskaner und einem Muslim durch Cándida Ferrero Hernández (S. 301–319) schließt den Band und zeigt beispielhaft, wie beide Religionen Argumente für den Vorrang ihres eigenen Glaubens austauschten. Allen Beiträgern gelingt es überzeugend, ihre jeweilige These mit Blick auf die aktuellen methodischen Debatten zur vergleichenden Predigtforschung und Transkulturalität zu begründen. Unter den diskutierten Texten findet sich manch bisher noch unentdeckte Trouvaille, die Anlass zu weiteren Forschungsarbeiten bietet. Ein Gesamtregister hilft bei der Erschließung und ermöglicht auch die punktuelle Lektüre. Daher ist der Band für alle weiterführenden Arbeiten auf dem Gebiet der ibero-italischen ma. Predigt ein wichtiger Beitrag.

Caecilia-Désirée Hein

(Rezensiert von: Caecilia-Désirée Hein)