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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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„Poi che non vi posso vedere, faremo con lettera“. Epistole di Ser Lapo Mazzei a Francesco Datini (1390–1410), a cura di Gloria Camesasca (Fonti per la storia dell’Italia medievale. Antiquitates 55) Roma 2021, Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, CXXXIV u. 732 S., ISBN 978-88-31445-09-2, EUR 45. – Im reichen Briefarchiv Francesco di Marco Datinis (ca. 1335–1410) aus Prato haben sich auch rund 416 Briefe des Notars Lapo Mazzei (1350–1412) erhalten, die dieser an den Händler adressierte und die heute im Archivio di Stato di Prato aufbewahrt sind. Eine seltene Überlieferung, treten Notare doch im Allgemeinen eher nur über ihr notarielles Geschäftsschriftgut ins Licht der Geschichte und weniger über Ego-Dokumente, wie sie Briefe letztlich darstellen. So ist dieser Briefwechsel Dokument eines Individuums, das ansonsten nicht unbedingt eine „Stimme“ in der Geschichte hinterlassen hätte, noch dazu eine so rege, die Einblicke in die Freundschaft zwischen den beiden Männern gibt, zugleich aber auch in das Leben des Notars. Wir erfahren, dass er aus einer einfachen Familie bäuerlichen Ursprungs stammte und dass Schafe eine besondere Rolle für ihn spielten – wohl auch als eine Art Metapher, aus der sein Stolz über seine eigene Karriere sprach. Mazzei studierte zunächst in Prato, zog dann nach Florenz, wo er auch in politische Ämter aufstieg, etwa im Umfeld Coluccio Salutatis oder als Mitglied der Dieci di Balìa. Während seines Studiums unterstützte Datini den armen Studenten, das war der Beginn ihrer Freundschaft. Mazzei wurde schließlich Notar des Ospedale di Santa Maria Nuova in Florenz, eine Tätigkeit, die ihm viel abverlangte, aber auch Möglichkeiten zur Wohltätigkeit eröffnete. Er war zweimal verheiratet und hatte mit seiner ersten Frau Tessa 14 Kinder, die über seine Briefe greifbar werden ebenso wie seine emotionale Betroffenheit über die vielen Tode: Wohl nur sechs Kinder sollten das Erwachsenenalter erreichen. Mit 60 Jahren heiratete er nach dem Tod der ersten Gattin ein zweites Mal, folgte seiner Tessa aber nur zwei Jahre später in den Tod. Der Briefwechsel, der am 30. September 1390 einsetzt und am 29. Juli 1410 endet, ist bereits über das 1880 von Cesare Guasti vorgelegte Werk Lettere di un notaro a un mercante del secolo XIV con altre lettere e documenti bekannt. Der Band bietet eine modernen Standards entsprechende neue Edition, die insbesondere von linguistischen Interessen getragen ist. Die Briefe werden als authentische Zeugnisse der Alltagssprache der Zeit begriffen, gerade weil sie nicht für eine Publikation verfasst wurden. Neben einer kurzen Einführung in die Genese der Arbeit, die aus der Diss. der Vf. hervorgegangen ist, und einer kurzen Skizze der biographischen Daten zu Mazzei umfasst der größte Teil der Einführung eine detailreiche linguistische Analyse. Es folgen Editionskriterien, Übersichten zu Gewichten, Maßen und Münzen sowie eine Synopse der Briefe. Die Edition folgt prinzipiell historischen Richtlinien mit entsprechenden Normalisierungen und leichten Anpassungen über das Setzen von modernen Akzenten und Interpunktion. Die Auflistung der Briefe erfolgt chronologisch, nicht datierbare Schreiben bzw. Dokumente, die nicht als Ausfertigungen von Briefen anzusehen sind, werden am Ende abgedruckt. Eingeleitet sind die Schreiben mit Eckdaten zur äußeren Quellenkritik und dem Abdruck der Rückseite samt Eingangs- und Antwortvermerken, die offensichtlich der Archivierung der Datinischen Korrespondenz entstammen. Eine Bibliographie sowie ein Personen- und Ortsnamenindex beschließen den Band. Umfangreiche Sachkommentare bieten zudem ausgezeichnete Hintergrundinformationen zu den Schreiben, ebenso wie zahlreiche Textkommentare. Die Freude an der äußerst gewissenhaften und begrüßenswerten Edition wird nur durch zwei Aspekte getrübt: zum einen dadurch, dass es eine monologische Stimme ist, die hier vorliegt, da nur die Schreiben Mazzeis, nicht aber die Antwortschreiben Datinis erfasst sind – wenngleich sich über Bezugnahmen auf dessen Schreiben doch eine gewisse Interaktion abzeichnet. Schwerwiegender ist das Fehlen von Regesten, und seien es auch nur knappe, die die Handhabung der Edition sehr erleichtert hätten. Insgesamt ein wertvolles Quellenwerk, das weit über das linguistische Interesse an den Schreiben hinaus zahlreiches Material für historische Fragestellungen zu bieten hat.

Christina Antenhofer

(Rezensiert von: Christina Antenhofer)