Società internazionale di studi francescani / Centro interuniversitario di studi francescani (ed.), La Custodia di Terra Santa e l’Europa nei secc. XIV–XV. Atti dell’Incontro di studio Napoli, 19–20 luglio 2019 (Figure e temi francescani 10 – Collana della Società internazionale di studi francescani 45) Spoleto 2020, Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, VI u. 264 S., ISBN 978-88-6809-305-1, EUR 38. – Zu den zentralen Ereignissen im Leben und Wirken des heiligen Franziskus von Assisi zählt die Begegnung mit Sultan Malik al Kamil in Damiette im Jahr 1219 und somit mitten im 5. Kreuzzug. Dieses Treffen ist durch lateinische und arabische Quellen historisch gesichert, so auch die Tatsache, dass Franziskus nicht allein, sondern mit einem Ordensbruder vor den Sultan trat, was sich in chronikalischen und bildlichen Zeugnissen widerspiegelt, am bekanntesten in den berühmten Fresken Giottos in der Basilika San Franceso in Assisi. Bei der Beschäftigung mit diesem Ereignis wurden daraus bis auf Ausnahmen wie einen grundlegenden Aufsatz von Kaspar Elm aus dem Jahr 1988 (vgl. DA 45, 748) aber kaum Fragen zur Präsenz der Franziskaner im Heiligen Land abgeleitet. Diesem Desiderat möchte der Sammelband begegnen, der aus einer Tagung in Neapel im Jahr 2019 hervorgegangen ist. Einleitend nähert sich Paolo Evangelisti (S. 1–44) in einem umfassenden Beitrag der Präsenz der Franziskaner im Heiligen Land sowie der Genese der Kustodie unter historiographischen und ökonomischen Fragestellungen an und geht der Verwaltung der franziskanischen Güter detailliert nach. Pacifico Sella (S. 45–74) untersucht die Überlieferung päpstlicher Quellen des 14. und 15. Jh. Zwischen einzelnen päpstlichen Dokumenten, wie der Bulle Gratias agimus, mit der Papst Clemens VI. 1342 die rechtlichen Grundlagen für eine dauerhafte Präsenz der Franziskaner legte, finden sich auch bemerkenswerte Einzelheiten beispielsweise zum pastoralen Dienst der Franziskaner, zur Konventsgründung in Betlehem im Jahr 1375 oder auch zur Erlaubnis der freien Wahl eines Beichtigers für eine hochstehende Florentinerin. Ein stärker auf der Mission liegender Akzent spiegelt sich dagegen in den Konstitutionen und Statuten der Kustodie des Heiligen Landes wider, worauf Francesco Carta (S. 75–101) hinweist. An diese Untersuchung schließt sich Marco di Branco (S. 103–115) zur Toleranz und Intoleranz im mamelukischen Zeitalter mit einigen Textbeispielen an. Einen Perspektivwechsel vollzieht Pierre Moukarzel (S. 117–140), der die Franziskaner im Heiligen Land im Spiegel der Dokumente der mamelukischen Sultane untersucht. Im Vordergrund stehen Dokumente, die die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der Franziskaner betreffen, deren Bestätigung bei jedem Herrschaftswechsel neu eingeholt wurde. Somit lässt sich beispielsweise auch detailliert der Ausbau des Grundbesitzes des Ordens auf dem Zionsberg ablesen, wovon mehrfache Boden- und Immobilienkäufe zeugen. Andrea Maiarelli (S. 141–159) stellt das Archiv der Kustodie des Heiligen Landes vor, dessen Ursprünge mit der Verwaltung der Kustodie einsetzten und das seinen Sitz auf dem Zionsberg gehabt haben wird. Dort sind knapp 140 Urkunden archiviert, von denen die ersten fünf lange vor der Gründung der Kustodie datieren und mit den Jahren 1230–1257 in die Frühphase der Präsenz der Franziskaner im Heiligen Land fallen. Der historiographischen Überlieferung geht Michele Campopiano (S. 161–179) nach und stellt aussagekräftige Hss. der franziskanischen Chronistik im Heiligen Land und zu Pilgerführern vor, die teils in der Bibliothek der Kustodie, teils in zahlreichen anderen Bibliotheken Europas aufbewahrt werden (siehe auch oben S. ###). Die Rolle der Brüder der Kustodie bei der Pilgerbetreuung thematisiert Beatrice Saletti (S. 181–206), basierend auf einer breiten schriftlichen Grundlage. Wenig ist jedoch bekannt über die Ablässe, die an den Stätten des Heiligen Landes erworben werden konnten. Alessandra Bartolomei Romagnoli (S. 207–239) bietet einen Überblick über die geistliche Pilgerschaft, vor allem von religiös lebenden Frauen, bevor Franco Cardini (S. 241–250) den Band mit einem ausführlichen Schlusswort abschließt, in dem er auch auf Forschungsperspektiven verweist. Somit stellt dieser einen sehr wichtigen Beitrag zur Präsenz der Franziskaner im Heiligen Land, aber auch zur Geschichte des Franziskanerordens insgesamt sowie zur allgemeinen spätma. Ordens- und Frömmigkeitsgeschichte dar.
Jörg Voigt
(Rezensiert von: Jörg Voigt)