DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Adam Krawiec, Slavia – Sclavania – Słowiańska Ziemia. Słowiańszczyzna w geografii kreacyjnej łacińskiej Europy w średniowieczu [Sclavia – Sclavania – Slawisches Land. Die slawischen Länder in der kreativen Geographie des lateinischen Europa im Mittelalter], Poznań 2022, Wydział Historii Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza, 216 S., ISBN 978-83-67284-04-2. – Das Problem der slawischen Länder und Völker als Gesamtheit (pol. Słowiańszczyzna), die Wahrnehmung dieses Großgebiets und des Bewusstseins seiner Einwohner beschäftigt die Historiker schon seit langem. Ein wichtiges Buch zu diesem Thema hat zuletzt Eduard Mühle vorgelegt (vgl. DA 77, 317–319). K., ein Posener Mediävist der mittleren Generation, befasst sich mit der „kreativen (bzw. mentalen) Geographie“. Demzufolge ist sein Ziel keineswegs die Rekonstruktion der tatsächlichen geographischen, politischen oder ethnischen Verhältnisse, sondern die der Vorstellungen dazu bei ma. Gelehrten (auch wenn sie sich nicht mit den realen Gegebenheiten decken). Seine Aufmerksamkeit richtet sich auf den lateinischen Kulturkreis, unter bewusstem Verzicht auf Überlieferungen aus der byzantinischen und ruthenischen Welt. Der Analyse liegt ein sehr umfangreicher Bestand an Texten und Karten zugrunde – von Jordanes bis zu dem Kroaten Vinko Pribojević im 16. Jh. Der Vf. kann nachweisen, dass die heute als slawischsprachig geltenden Gebiete im MA unterschiedlich betrachtet und wahrgenommen wurden. Man verzeichnete dort eine Vielzahl von Völkern und Sprachen, und der Gebrauch von zusammenfassenden Begriffen hing immer vom konkreten historischen Kontext ab. Eine gewisse Einheitlichkeit aller Slawen wurde eher durch Autoren aus Westeuropa propagiert, die diese Region natürlich von außen wahrnahmen. Gemeinbegriffe wie Slavia, Slavinia tauchen spätestens Ende des 10. Jh. auf, hatten aber häufig territoriale und nicht ethnische Bedeutung (man zählte beispielsweise auch die Ungarn und Pruzzen hinzu). Bei polnischen und böhmischen Autoren des Spät-MA ist zu bemerken, dass sie die Slavinia als nicht mehr existierendes „Phantom“ behandelten, was mit dem Stolz auf die unabhängige Entwicklung „eigener“ slawischer Völker zusammenhängen dürfte. Die Idee unterlag leicht einer „Politisierung“, weil das Bewusstsein einer einst viel umfangreicheren slawischen Gemeinschaft als Vorwand genutzt wurde, um Ansprüche auf die Wiedergewinnung angeblich seit langem verlorener Territorien anmelden zu können. Das Buch ist mit einer chronologischen Zusammenstellung der wichtigsten Fakten und besprochenen Werke, einer Bibliographie und verschiedenen Registern versehen, es fehlt aber eine fremdsprachige Zusammenfassung.

Tomasz Jurek

(Rezensiert von: Tomasz Jurek)