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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Andrea Stieldorf (Hg.), Macht und Herrschaft im Siegel- und Münzbild (Studien zu Macht und Herrschaft 14) Göttingen 2021, V&R unipress, Bonn Univ. Press, 317 S., Abb., ISBN 978-3-8471-1279-2, EUR 55. – Die Beiträge des Bandes gehen auf Vorträge zurück, die im Rahmen dreier 2017 und 2019 durch den Teilbereich 22 (Bilder vom König. Macht und Herrschaft der ostfränkisch-deutschen Könige im Siegel- und Münzbild [936–1250]) des Bonner SFB 1167 veranstalteter Workshops gehalten wurden. – Andrea Stieldorf, Urraca, Mathilda, Konstanze und Co. Königinnen des 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts im Münzbild (S. 11–38), versucht mit durchweg gutem Erfolg, die seltenen Darstellungen von Herrscherinnen auf Münzbildern des 12. Jh. aus der jeweiligen Situation (Konkurrenzkampf Urracas und Mathildas gegen ihre Widersacher) bzw. im Fall der staufischen Doppelporträts mit dem Ehegatten aus dem Kontext der Zeit (Sponsus-sponsa-Darstellungen) zu erklären. – Torsten Fried, Lindwurm, Stier und Greif. Herrscherliche Münzbilder im südlichen Ostseeraum um 1200 (S. 39–65), zeigt vor allem am Beispiel der Grafen von Schwerin und Herren bzw. Herzöge von Mecklenburg, welche Rolle Münzbilder für die Repräsentation eines Herrscherhauses spielten und wie ältere Motive später immer wieder aufgenommen wurden. – Sebastian Steinbach, Monetäre Herrschaftszeichen. Insignien königlicher Macht auf europäischen Münzen des Hochmittelalters (ca. 1050–1250) (S. 67–99), untersucht in vergleichender Perspektive die königlichen Münzprägungen in England, Frankreich, auf der Iberischen Halbinsel und im Reich im Hoch-MA in Hinsicht auf die Darstellung von Herrscherinsignien und kann für das Reich die (wohl auf die Menge der Münzstätten und eine nicht zentralisierte Münzprägung zurückzuführende) größte Vielfalt an einschlägigen Darstellungen feststellen, während in England größere Einheitlichkeit vorherrscht, in Frankreich das königliche Porträt keine so große Rolle spielt wie im Rest Westeuropas und sich auf der Iberischen Halbinsel sehr früh entpersonalisierte Darstellungen entwickelten. – Hubert Emmerig, Die Salzburger Münzprägung um das Jahr 1000. Denare, Münzprivileg, Interpretation (S. 101–136), erläutert zunächst die Münzreihe der Salzburger Prägungen um die Jahrtausendwende mit besonderer Berücksichtigung der darauf zu findenden Ortsbezeichnungen Salzburgs, diskutiert dann das umstrittene Münzprivileg Ottos III. vom 28. 5. 996 (D O. III. 208) und tendiert bei der schwierigen Interpretation des Befundes dazu, die Nennung des heiligen Rupert auf den Münzen nicht als Hinweis auf die Beteiligung des Salzburger Erzbischofs an der Münzprägung zu sehen. – Elke Brüggen / Jasmin Leuchtenberg, Weibliche Herrschaft in Text und Bild. Überlegungen zum ‘Eneasroman’ Heinrichs von Veldeke (S. 137–201), untersuchen die textliche und bildliche Darstellung der beiden weiblichen Protagonistinnen Dido und Camilla in der berühmten Berliner Bilderhs. des Eneasromans (Staatsbibl. zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, germ. fol. 282) und kommen zu dem Ergebnis, dass offenbar vor allem die bahnbrechenden Beschreibungen des äußerlichen Erscheinungsbildes im Text des Romans „kaum in das bildliche Medium überführt werden“ konnten (S. 193). – Harald Drös, Text und Anordnung der Inschriften in Herrschersiegeln des 10. bis 13. Jahrhunderts (S. 203–242), legt erstmals einen fundierten Überblick über Formular und Anordnung der Inschriften auf den Siegeln der ostfränkischen bzw. deutschen Könige und Kaiser von Arnolf bis Richard von Cornwall vor und steuert auch gute Vorschläge hinsichtlich der bisher nicht zufriedenstellenden einschlägigen Terminologie bei. – Karina Kellermann, Gerupfte Adler und kämpfende Löwen. Wappenallegorien in der deutschsprachigen politischen Kleindichtung (S. 243–280), entwickelt anhand ausgewählter Beispiele beginnend mit Walther von der Vogelweide eine Typologie der literarischen Gestaltung von Wappenallegorien, welche offenbar vor allem für die Darstellung von Kampfhandlungen herangezogen wurden, wobei Adler und Bär deutlich dominieren. – Francesca Soffientino, Staufersiegel. Vorlage, Bildtradition und Nachleben (S. 281–309), sieht die Leitmotive der staufischen Siegel vor allem in der „Kodifizierung einer Bildsprache in der Darstellung der Machtsymbole sowie der Herrscherfigur“ (S. 303), in der hohen Qualität der Siegelstempel sowie im langen Nachleben der von den Staufern hier praktizierten Motivik. Der höchst informative und lesenswerte Sammelband führt sehr eindrücklich vor Augen, wie viel unausgeschöpftes Potential in der ikonographischen Auswertung von ma. Siegeln, vor allem aber Münzen vorhanden ist.

M. W.

(Rezensiert von: Martin Wagendorfer)