Critica del testo e critica letteraria, a cura di Lucia Castaldi / Antonella Degl’Innocenti / Enrico Menestò / Francesco Santi. Con un saggio di Claudio Leonardi (mediEVI 28) Firenze 2020, SISMEL – Edizioni del Galluzzo, VIII u. 291 S., Abb., ISBN 978-88-8450-999-4, EUR 44. – Anlässlich des sich zum zehnten Mal jährenden Todestags von Claudio Leonardi veranstaltete die SISMEL 2020 eine Tagung, auf der vor allem Nachwuchswissenschaftler zum Thema Textkritik zu Wort kommen sollten. Diese Beiträge bilden in überarbeiteter Form zusammen mit dem Wiederabdruck eines Aufsatzes von Claudio Leonardi (Poesia e agiografia. L’innario umbro-romano, S. 199–271), der schon 2005 an etwas entlegener Stelle publiziert worden ist, diesen Band, vgl. Premessa der Hg. (S. VIIf.). – Michele De Lazzer, In margine a una nuova edizione critica delle favole della „recensio vetus“ del „Romulus“ (S. 3–24), diskutiert einige textkritische Probleme der sogenannten recensio vetus der Fabelsammlung, an deren Edition er arbeitet. – Vera Fravventura, Varianti redazionali nella tradizione manoscritta del „De rerum naturis“ di Rabano Mauro: il gruppo γ (S. 25–58), interpretiert die in der genannten Hss.-Gruppe festzustellenden textlichen Eigenheiten als Indiz, dass hier eine von Hraban selbst oder aus seinem Umkreis stammende modifizierte Version des Werks vorliegt, und weist auf deutliche Parallelen zu diesen Varianten in den Scholia Vallicelliana (Glossen zu Isidors Etymologiae) hin. – Riccardo Macchioro, Un prosimetro agiografico inedito dal ms. Vat., Arch. S. Pietro A.4: un’opera sconosciuta di Bruno di Querfurt? (S. 59–96), untersucht erstmals die noch ungedruckte prosimetrische Passio Felicis, datiert sie in die Zeit Ottos III. bzw. Silvesters II. und plädiert für Brun von Querfurt als Autor. – Valeria Mattaloni, Un commento pseudo-gregoriano ai salmi penitenziali, attribuibile a Eriberto di Reggio Emilia (S. 97–130), untermauert die schon von Angelo Mercati vertretene Zuweisung einer in mehreren Hss. überlieferten Expositio in septem psalmos paenitentiales, die in den ma. Textzeugen auch Gregor dem Großen bzw. Cassiodor zugeschrieben wird, an den Bischof von Reggio Emilia (seit 1085) durch inhaltliche, syntaktische und linguistische Argumente. – Marina Giani, Un nuovo testimone e una nuova redazione della „Visio Alberici“ (S. 131–157), verbucht einen bemerkenswerten Fund: Sie weist auf eine weitere Überlieferung der bisher – abgesehen von einer neuzeitlichen Abschrift – nur aus einer Hs. (Monte Cassino, Bibl. Statale del Monumento Nazionale, Cod. 257) bekannten Visio Alberici Guidos in der wohl in Santa Cruz in Coimbra entstandenen Hs. Porto, Bibl. Pública Municipal, Santa Cruz de Coimbra 31 (56), hin und kann durch eine minutiöse Untersuchung des Texts zeigen, dass es sich hierbei wohl um die früheste, bisher als verschollen angesehene Fassung handelt, die noch frei von Eingriffen des Albericus und des Petrus Diaconus ist. – Gaia Sofia Saiani, L’edizione di una compilazione francescana da testimone unico (S. 159–178), stellt am Beispiel der sogenannten „Compilatio Little“ (Oxford, Bodleiana, Lat. theol. 23) in eher abstrakter Art und Weise Überlegungen zur Edition franziskanischer Textkompilationen an. – Attilio Grisafi, Critica del testo e letteratura nelle tragedie umanistiche: l’esempio del „De casu Caesenae“ di Ludovico Romani (S. 179–195), unterstreicht nochmals die in den letzten Editionen vorgenommene Autorzuweisung des Textes, der in einigen Hss. auch Francesco Petrarca oder Coluccio Salutati zugeschrieben wird, und führt die teils engen sprachlichen Parallelen zwischen der Tragödie und einem Brief Salutatis zu demselben Thema auf genusbedingte Topoi zurück, derer sich beide Autoren bedient hätten. Der lesenswerte Band wird durch mehrere Indices, darunter auch ein Hss.-Register, gut erschlossen.
M. W.
(Rezensiert von: Martin Wagendorfer)