Arturo Bascetta / Francesco Russo / Domenico Rotundo / Sabato Cuttrera, La signoria di Forenza in principato di Nazareth. „Florencie“ feudo dei Pagano di Nucera nel regno dei Templari di Gerusalemme (Marchioni d’Italia 6) Avellino 2021, Arturo Bascetta Editore, 126 S., ISBN 978-88-7297-223-6, EUR 29. – Hugo de Paganis († 1136) war mitbeteiligt an der Formierung des Templerordens in Jerusalem und wurde dessen erster Meister. Für gewöhnlich nimmt man an, er stamme aus der Grafschaft Champagne in Frankreich, genauer aus Payens bei Troyes. Die vier Vf. der Beiträge in diesem Sammelband jedoch vertreten die Anschauung, Hugo entstamme der Familie de Paganis aus Nocera in Kampanien, südlich von Neapel. Diese These ist nicht neu; vgl. Domenico Rotundo, Templari, misteri e cattedrale (1983), ders., Le origini nocerine di Hugone dei Pagani (2012), und Mario Moiraghi, L’italiano che fondò i Templari (2005). A priori ist sie ernst zu nehmen. Zu ihrer Stützung wird gewöhnlich früher Besitz der Templer in Süditalien angeführt. Neu ist hier der Verweis auf frühen Besitz des Erzbistums Nazareth in Süditalien, der 1162 aufgelistet wurde, darunter die Kirche St. Martin außerhalb der Mauern von Forenza in der Basilicata, auf die der Titel anspielt. Nicht erwähnt wird allerdings der Fälschungsverdacht gegen das Schriftstück, auf das sich die These stützt; vgl. Wolf Zöller, Regularkanoniker im Heiligen Land (2018) S. 293 mit Anm. 347. Insgesamt bleibt aufgrund fehlender Quellen naturgemäß manches spekulativ, was jedoch nicht heißt, dass es nicht ernsthaft und kritisch zu prüfen wäre. Leider ist die Publikation so unprofessionell gemacht, dass sie diese wissenschaftliche Auseinandersetzung geradezu behindert. Entscheidende Dokumente, welche Angehörige der Familie de Paganis erwähnen, werden nirgends ediert, eines von 1084 – die Schenkung des Paganus de Paganis und seiner Gemahlin Emma an Venosa, erhalten in einer Abschrift Brindisi, Bibl. De Leo, B 5, fol. 100v (nach Antonio Sabia, I Templari in Basilicata, 2017, S. 78 Anm. 185, nicht erwähnt in dem Sammelband) –, zwei von 1098, ein Brief von 1103 usw. Wenn lateinische Texte aus alten Drucken wiedergegeben werden, dann völlig unverstanden mit f für langes s. Zu Forenza heißt es in der Besitzliste für Nazareth von angeblich 1162, S. 72: Item Alla Florentia Ecclefiam uram [wohl für: vestram] cum nomine Sanctus Martinus prope muros ipfius Florentia. Dem Paganus de Paganis von 1084 werden zwei Söhne zugeschrieben, Ugone und Difigio (F. Russo, S. 17) respektive Disigio (ders., S. 19). Geradezu grotesk missverstanden wurde das Innocenz III. zugeschriebene Besitzverzeichnis für Montevergine von 1209 – S. 118–121 wiedergegeben nach einem Druck von 1663: Di Innocentius Episcopus, seruus seruorum Dei. Die seftis Filis D. Abbati Monafterij S.Maria de Monte Virgine, eiusque Fratribus, tàm prafentibus, quàm futuris usw.; zur Kritik der Überlieferung dieser Papsturkunde vgl. Codice Diplomatico Verginiano Bd. 13: 1204–1210, ed. Placido Mario Tropeano (2000) S. XVf. Manche Argumentationen wirken gezwungen. Man vergleiche beispielsweise Wilhelm von Tyrus c. 12,7,6 (ed. Huygens, CC Cont. Med. 63, S. 553), wo wichtige frühe Templer aufgezählt werden, primi et precipui fuerunt viri venerabiles Hugo de Paganis et Gaufridus de Sancto Aldemaro, mit S. 21: „Guglielmo di Tiro scrive infatti che l’Ordine del Tempio venne fondato da Ugo di Paganis e da un certo francese, Goffredo de Santo Ademaro“ [so als Quellenzitat gekennzeichnet]; in Wirklichkeit erwähnt Wilhelm keinerlei Volkszugehörigkeiten. Kurzum: Der Band ist eine vertane Chance für die an sich lohnende Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Forschung sich bei der Identifikation von Kreuzfahrern und Franken in der Levante über weite Strecken hinweg zu voreilig nur auf Frankreich statt auch auf Süditalien kapriziert hat.
K. B.
(Rezensiert von: Karl Borchardt)