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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Kirsten Darby, Die „Lachverständigen“ im Mittelalter. Untersuchungen zu Darstellungen und Bewertungen des Lachens in Heiligenviten (Beihefte zum AKG 95) Wien / Köln / Weimar 2021, Böhlau, 401 S., ISBN 978-3-412-52052-6, EUR 60. – Seit Umberto Ecos „Der Name der Rose“ ist einem breiteren Publikum bekannt, dass die Benediktregel den Mönchen Ernsthaftigkeit gebot. Ausgangspunkt dieser Diss. ist das interessante Paradox, dass in einigen Viten – auch von Mönchen – dennoch beschrieben wird, dass Heilige lachten, was eine positive Bewertung des Lachens nahelegt. D. beabsichtigt, das Paradox zu erklären und die ma. Lachkultur neu zu beleuchten, indem sie sich der in diesem Kontext bisher kaum beachteten Hagiographie widmet. Dabei stellt sie die vielfach die Forschung prägenden Annahmen von M. Bachtin und J. Le Goff, dass es im MA ein kirchlich verordnetes „Lachverbot“ gegeben habe, das von der Bevölkerung zunehmend durchbrochen und schließlich ab dem 11. Jh. bzw. seit der Renaissance gelockert worden sei, auf den Prüfstand. Ebenso möchte sie herausfinden, ob in den Viten gruppenbezogene Lachnormen tradiert wurden. Nach der Einleitung betrachtet D. zunächst das Lachen in antiken Texten als Fundus, aus dem das MA schöpfte, ehe sie sich dem eigentlichen Untersuchungszeitraum zuwendet und in drei Kapiteln die Aussagen über Arten, Motive und Akteure des Lachens in den Viten untersucht. Es folgen Fazit, Quellen- und Literaturverzeichnis und Register. Die Stärken der Arbeit liegen in der originellen Fragestellung, der breiten Quellenbasis sowie interessanten Ergebnissen. So fußt sie auf 109 lateinischen Heiligenviten des 6. bis beginnenden 16. Jh., die mittels einer Suche nach lateinischen Formen des Wortes „Lachen“ in den AA SS ausgewählt wurden. Ergänzend wurden andere geistliche Textgattungen herangezogen. D. zeigt auf, dass das Lachen in den Viten keineswegs pauschal verurteilt wurde; vielmehr wurde ein rechtes Maß propagiert. Auch finden sich kaum gruppenbezogene Unterschiede. Abseits der topischen Kindheitsdarstellungen wurden die strengsten Normen überraschenderweise nicht an Mönche, sondern an Könige gesetzt. Am wichtigsten für die Bewertung des Lachens erscheinen jedoch der jeweilige Kontext bzw. das Motiv: Das Lachen über Sakrales und in sakralen Kontexten wurde als negativ, das Lachen der Heiligen über ihre Verfolger oder über alles Irdische dagegen als Ausdruck der Weltverachtung positiv dargestellt. Eine Entwicklung der Lachkultur wie von Bachtin und Le Goff behauptet lässt sich hingegen laut D. nicht feststellen. Als Schwächen der Diss. sind zu nennen, dass sie viele Wiederholungen enthält und oft argumentativ noch besser auf den Punkt gebracht werden könnte, dass nur mit den AA SS gearbeitet wurde, obwohl für manche der behandelten Viten neuere kritische Editionen vorliegen, dass die Arbeit nicht überall gründlich belegt ist (z. B. S. 79, 100) und noch leserfreundlicher hätte gestaltet werden können. So wird im Schlusskapitel in den Anmerkungen fast nur global auf Autoren und Quellen verwiesen, ohne Belegstellen; die Quellen sind teilweise nicht im Register verzeichnet, so dass man für die Belege das ganze Buch durchsuchen muss (z. B. S. 352 Anm. 25 und 28). Trotz dieser Monita handelt es sich um einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der ma. Lachkultur; künftige Arbeiten werden darauf aufbauen müssen.

Daniela Bianca Hoffmann

(Rezensiert von: Daniela Bianca Hoffmann)