Jörn Roland Christophersen, Krisen, Chancen und Bedrohungen. Studien zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg während des späteren Mittelalters (13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts) (Forschungen zur Geschichte der Juden A 32) Wiesbaden 2021, Harrassowitz-Verlag, XVI u. 870 S., 13 Abb., 6 Tabellen, ISBN 978-3-447-11710-4, EUR 148. – Unmittelbar nach dem Ableben seines Doktorvaters Alfred Haverkamp († 2021) kann C. seine an Umfang wie Ertrag gleichermaßen beeindruckende Diss. in der renommierten ‘Trierer’ Reihe zur jüdischen Geschichte im Druck präsentieren. Damit wird ein in der Forschung inzwischen überaus bewährter Methoden- und Fragenkatalog – stets umsichtig an die Eigenarten der durchaus heterogenen Landschaften der Region zwischen Elbe und heute polnischer Neumark angepasst – an einen Raum angelegt, in dessen seit 1989/90 enorm aufgeblühter landesgeschichtlicher Forschung die Rolle der Juden bislang ausgeblendet blieb. C. verfolgt seine überaus differenzierte Darstellung für den Zeitraum vom Ende des 13. Jh. bis zum Stichjahr 1510, wobei das 14. Jh. auch quellenbedingt den Kern der Analyse und Beschreibung markiert. Im Mittelpunkt der ausführlichen Einleitung stehen fundierte Überlegungen zur herausfordernden Quellenlage und ihren Folgerungen für die Arbeit. Ein kluger und die Besonderheiten Brandenburgs (Land, Herrschaft, Städte, Wirtschaft, Kirche) stets berücksichtigender Überblick ermöglicht es dann, die Voraussetzungen für jüdisches Leben nachzuvollziehen. Im Grundsatz dem in Trier entwickelten Modell entsprechend folgen in zwei großen chronologischen Schritten eingehende Darstellungen und Analysen zu jüdischer Ansiedlung und Niederlassung vor und nach dem Einschnitt um 1350/51; hierbei werden neben Herkunft und Migrationswegen der Juden das Siedlungsnetz (korrelierend mit dem Städtenetz) sowie vor allem die Verfolgungen um 1350 eingehend und überaus fundiert sowie stets vergleichend analysiert. Anschließend behandelt C. Konstanz und Veränderungen innerhalb der jüdischen Gemeinden (Topographie, Ausstattung, Migration, Mobilität, jüdischer Anteil am Landesausbau). Im letzten großen Abschnitt (Wege in den Alltag der Juden – Normen, Nachbarschaft und Judenfeindschaft) geht es um Fragen des herrschaftlichen Zugriffs sowie rechtliche Bedingungen für jüdisches Leben. Dem jüdischen Leben und Wirtschaften (Handel/Handwerk, Finanzwesen, christlich-jüdische Kontaktfelder) ist ein weiteres Kapitel gewidmet, bevor noch einmal (unter Rückgriff auf die virulenten Forschungsdebatten zum Bürgerrecht der Juden) Fragen der Kontaktfelder in das Bürgerrecht der Städte in der Mark Brandenburg mit einer Fülle wertvoller Beobachtungen nachgegangen wird. Das abschließende Kapitel widmet sich der Stellung der brandenburgischen Juden im Herrschaftsgefüge von Markgrafen, Adligen und geistlichen Herren. Fazit: C. ist eine grundlegende, aspektreiche Studie gelungen, die auf einer bislang unerreichten Quellenbasis über Brandenburg hinaus erneut die Fruchtbarkeit der Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte für eine Vielzahl von Fragestellungen weit über die vergleichende Stadt- und Landesgeschichte hinaus eindrucksvoll aufzeigt.
Gerold Bönnen
(Rezensiert von: Gerold Bönnen)