DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Thomas Biller, Die Burgen Kaiser Friedrichs II. in Süditalien. Höhepunkt staufischer Herrschaftsarchitektur, Darmstadt 2021, WBG Theiss, 287 S., Abb., ISBN 978-3-8062-4309-3, EUR 50. – Der Vf., „ein auch in Kunstgeschichte ausgebildeter Architekturhistoriker, dessen entscheidendes Ziel die Analyse und Interpretation der Bauten ist“ (S. 13), versucht einen Überblick über die Burgen Friedrichs II. in Süditalien zu geben. Nach einer historischen Einleitung (S. 15–42), die „lediglich ein möglichst allgemein verständlicher Versuch“ sein soll, „wesentliche Punkte der umfangreichen Spezialliteratur zur Herrschaft Friedrichs II. in Süditalien zusammenzufassen, um die Entstehungsbedingungen der Bauwerke besser zu verstehen“ (S. 13), unterteilt er die süditalienischen Burgen Friedrichs II. zunächst in drei Gruppen: 1) die „Kastelle“, worunter er nur diejenigen Burgen versteht, die „eine Rechteckanlage mit (in der Regel vorspringenden) Ecktürmen“ besitzen; 2) die vielen anderen von Friedrich II. in Süditalien errichteten Burgen; 3) einige wenige „Idealbauten“, die „die Bewohnbarkeit durch die Angehörigen einer herrschenden sozialen Gruppe mit den Merkmalen der Verteidigungsfähigkeit und einer betonten Symbolwirkung“ vereinten (S. 13f.). Zu diesen „Idealbauten“, die „durch ihre herausragende gestalterische Qualität auffallen, indem sie insbesondere das formale Schema des Kastelltypus zu erstaunlicher Vollendung geführt haben“, zählt der Vf. „insbesondere Catania, Syrakus und vor allem Castel del Monte ... sowie unter etwas anderen Vorzeichen auch Lucera und das ‘Triumphtor’ bzw. Brückenkastell in Capua“ und „die ‘Torre di Federico’ in Enna“ (S. 55). Als vierte Gruppe fügt er dann noch die „Jagdschlösser“ (domus solaciorum) hinzu (S. 84), obwohl er feststellt, dass eigentlich „jede Burg, in deren Nähe es jagdbares Wild gab, gelegentlich oder häufig entsprechende Dienste leistete“ (S. 85). Interessant sind die Überlegungen zu den Räumen und Raumfunktionen, zu den Elementen der Befestigung sowie den „Entwerfern“ und Bauverwaltern der friderizianischen Burgen sowie zum „Mythos des ‘staufischen’ Buckelquaders“ (S. 89–173) und zum süditalienischen Burgenbau in der Zeit nach Friedrich II. (S. 174–182). Als Ergebnis seiner Untersuchungen zur Architektur und Funktion der Burgen formuliert der Vf.: „Die kleine Gruppe der friderizianischen Idealbauten erscheint nach alldem als Höhepunkt einer zwar ästhetisch vollendeten, aber in Wahrheit schon etwas unzeitgemäßen Art von Herrschaftsarchitektur, die noch überwiegend auf eine symbolhafte Veranschaulichung von Macht und geordneter Staatlichkeit setzte, während die Architektur der Burgen und Herrschaftssitze andernorts bereits Formen hatte entwickeln müssen, die neuen Angriffsmethoden standhalten konnten und die daher weitaus funktionaler geprägt waren“ (S. 185). Der letzte Teil des mit hervorragenden Fotografien und Grundrissen der Bauten ausgestatteten Bandes wird abgeschlossen von ausgewählten Einzeldarstellungen der Friedrich II. zugeschriebenen Burgenbauten von unterschiedlichem Umfang (S. 186–271) sowie einer kleinen „Sonderliste“ der „Bauten, die unbeweisbar oder fälschlich Friedrich II. zugeschrieben wurden“ (S. 272–277). Das Literaturverzeichnis (S. 280–286) ist lückenhaft, und es fehlt jegliches Register, was die Benutzung des Bandes erschwert, vor allem auch deswegen, weil der Text keine Anmerkungen enthält, die es dem Leser ermöglichen würden, die Quellen und die Literatur zu konsultieren, auf denen die Darstellung beruht. So z. B. die Behauptung zu Gioia del Colle (Prov. Bari): „Friedrich II. hielt sich lediglich 1222 in der Burg auf, wie ein Brief bezeugt“ (S. 221). Es handelt sich in Wirklichkeit um acht am 22. November 1222 apud Ioham, also bei dem Ort Gioia del Colle, ausgestellte Briefe, in denen keine Rede von der Burg ist (MGH DD F. II. 941–948; Reg. Imp. 5,1,1 Nr. 1410). Unzutreffend ist die vom Vf. übernommene, von Giuseppe Agnello (1888–1976) ohne Quellengrundlage vertretene Auffassung, dass das im Zentrum Siziliens in Enna (früher Castrogiovanni) gelegene „Castello della Lombardia“ (S. 250–254) und der dortige achteckige, „Torre di Federico“ genannte Turm (S. 254–256) von Friedrich II. errichtet worden seien. Ferdinando Maurici (Federico II e la Sicilia. I castelli dell’Imperatore, 1997, S. 335–360) hat gezeigt, dass die seit dem 19. Jh. verbreitete Bezeichnung des Turms sich nicht auf den staufischen Kaiser, sondern auf Friedrich III. von Aragón (König von Sizilien 1296–1337) bezog, der sich ab 1300 längere Zeit in Enna in dem wahrscheinlich von ihm ausgebauten „Castello della Lombardia“ niederließ, das mit einer äußeren Mauer versehen wurde, die ein Areal von mehr als 26.000 Quadratmeter umfasste (Maurici S. 334).

Hubert Houben

(Rezensiert von: Hubert Houben)