Terre di confine tra Toscana, Romagna e Umbria. Dinamiche politiche, assetti amministrativi, società locali (secoli XII–XVI), a cura di Paolo Pirillo / Lorenzo Tanzini (Biblioteca storica toscana 80) Firenze 2020, Leo S. Olschki, VII u. 462 S., 4 ungezählte Seiten Tafeln, Abb., ISBN 978-88-222-6730-6, EUR 48. – Der Band enthält die Beiträge von zwei Tagungen von Mai und November 2019, Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Deputazione di storia patria der Toskana und ihrer Entsprechung in Umbrien. Thema sind die Grenzgebiete zwischen dem Kirchenstaat, Florenz und einer Reihe von lokalen Akteuren. Das Buch besteht aus zwei Teilen: Der erste beschäftigt sich generell mit der Problematik Grenzen, der zweite beobachtet mittlere und kleinere Herrschaften im Grenzgebiet und ihre Beziehungen zu den Städten. Paolo Pirillo, „Incerti fines“. Il confine medievale tra norme e pratiche sociali (S. 3–12), stellt einige generelle Überlegungen zur Thematik der Grenzen in Mittel- und Norditalien vor. – Giovanni Brizzi, La via Emilia come limes? L’invenzione del primo vero confine politico (S. 13–20), geht zurück in die Antike. – Riccardo Parmeggiani, „Eadem ratio sit in omnibus“. La diocesi, il piviere e la parrocchia: i confini e la normativa ecclesiastica (secc. V–XIII) (S. 21–38), betrachtet die Grenzen der verschiedenen kirchlichen Institutionen. – Maria Ginatempo, La costruzione dei confini della Toscana senese verso sud-est fra Due e Quattrocento (S. 39–70), bietet eine tiefergehende Studie zu den Grenzen von Siena und ihrer Verwaltung. – Lorenzo Tanzini, I confini nella legislazione statutaria delle città toscane bassomedievali (S. 71–87), ist eine sehr nützliche Studie zu den Statuten der Stadtgemeinschaften. – Tommaso Duranti, Vivere al confine. Opportunità e svantaggi di alcune comunità del contado bolognese alla frontiera con Imola (S. 89–112), bringt eine Fallstudie vom Ende des MA, mit einem Karten- und Quellenanhang. – Rita Chiacchella, Confini e beni comuni. Il caso del Chiugi e dell’area del Trasimeno (S. 113–120), betrachtet eines der Kerngebiete an der Grenze zwischen dem Kirchenstaat und Florenz. – Im zweiten Teil findet sich Paolo Pirillo, Signori e confini. Gli Ubaldini, l’Appennino e le città (S. 177–185), mit einer Studie zum Gebiet von Bologna im Spät-MA. – Maria Elena Cortese, I conti Alberti dalla dimensione regionale alla signoria appenninica (S. 187–213), untersucht das Geschlecht der Alberti im Gebiet von Prati und andernorts. – Marco Bicchierai, Le signorie casentinesi dei conti Guidi e Firenze nel secolo XIV (S. 215–233.), behandelt eine andere Familie zwischen Toskana und Romagna. – Weitere Fallstudien sind Paola Foschi, I conti di Panico fra Bologna, la Romagna e la Toscana (XI–XIV secolo) (S. 235–262), und Leardo Mascanzoni, Una signoria di confine e non solo: Maghinardo e i Pagani da Susinana (S. 263–282). – Renzo Nelli, ‘Regolari’ e ‘secolari’ sul crinale appenninico: due esempi di signorie ecclesiastiche (S. 283–296), betrachtet den Sonderfall der kirchlichen Herrschaften vom 8. bis ins 14. Jh. – Francesco Pirani, Una signoria ai confini della Massa Trabaria: i Brancaleoni di Castel Durante (XIII–XV secolo) (S. 297–320), behandelt ein Gebiet mit einer Reihe von kleinen Herrschaften, wo die Städte eine geringere Rolle spielten als anderswo. – Weitere Beiträge sind Gian Paolo G. Scharf, I Barbolani di Montauto, una piccola ma longeva signoria di confine (secc. XI–XVI) (S. 321–327); Alberto Luongo, I confini della sopravvivenza: signorie eugubine nei secoli XIII e XIV (S. 329–346); Stefania Zucchini, Un confine mobile. I rapporti tra città, signori e comunità locali: il caso di Perugia (S. 347–368); Sandro Tiberini, I marchesi del Monte, i conti di Marsciano e i conti di Montemarte: le dinamiche politiche nei rapporti con le città (secoli XII–XV) (S. 369–392); Mario Marrocchi, I confini sfuggenti tra Orvieto, Siena e Perugia: i Farolenghi-Manenti e le Chiane (secc. XII–XIV) (S. 393–413), und Renzo Zagnoni, I signori di Stagno e le signorie minori nell’Appennino fra Bologna e la Toscana (secoli X–XII) (S. 415–431). – Im abschließenden Beitrag unterstreicht Gian Maria Varanini (S. 433–446) die Bedeutung der Grenzforschung in den letzten Jahrzehnten, die Frage nach der historischen Kontinuität der Grenzen sowie diejenige nach Zentrum und Peripherie und das Konzept der territorialen Souveränität und betont den Nutzen des Bandes für vergleichende Studien. Das Buch bietet eine lange Reihe nützlicher Fallstudien, die, besonders wenn es sich um kleinere Herrschaften handelt, viele neue Erkenntnisse und unveröffentlichtes Material vorstellen. Was überraschend ist, ist die fehlende Verbindung zur internationalen Bewegung der Frontier Studies, die in den letzten 20 Jahren viele Fortschritte gemacht hat. Ebenso fehlt es an Interesse für den Rest Italiens, insbesondere für Süditalien. Angesichts dessen wären einige Grundannahmen der hier abgedruckten Beiträge zu aktualisieren. Es scheint, als hänge man hier noch an der Idee einer allmählichen Stabilisierung und Markierung der Grenzen, während heute universell anerkannt ist, dass es eine Kontinuität gab und dass die Grenzen schon immer existiert haben, auch lineare und markierte Staatsgrenzen. Die Idee einer allmählich fortschreitenden Ordnung und Kontrolle des Territoriums zwischen Hoch-MA und Neuzeit entspricht nicht dem heutigen Forschungsstand. So scheint man hier eine Gelegenheit nicht genutzt zu haben, anders als in vergleichbaren Tagungen wie z. B. Une région frontalière au Moyen Âge (Rom 2000, vgl. DA 57, 812–814) und Il confine nel tempo (L’Aquila 2005), wo die Geschichte lokaler Gegebenheiten Teil einer internationalen Forschungsthematik geworden ist.
Kristjan Toomaspoeg
(Rezensiert von: Kristjan Toomaspoeg)