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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Riccardo Saccenti, La varietà della Santa Chiesa. Unità di fede e pluralità di forme di vita cristiana in Anselmo di Havelberg (mediEVI 27) Firenze 2020, SISMEL – Edizioni del Galluzzo, X u. 167 S., ISBN 978-88-8450-989-5, EUR 32. – Anselm von Havelberg hat seinen Platz im Schatten anderer Denker des 12. Jh. in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise verlassen. Seine Person, vor allem aber auch sein Werk treten zunehmend ins Blickfeld historischer und theologischer Forschungen. Mit dem Abschluss der aktuellen Neuedition seiner Werke – der Epistola apologetica pro ordine canonicorum regularium und des Anticimenon – im Rahmen eines Projekts der Heidelberger Akademie der Wissenschaften wird unsere Kenntnis dieses bedeutenden Prämonstratensers, Bischofs und Intellektuellen hoffentlich weiter zunehmen. Gegenstand dieses Buchs ist das Anticimenon, auch bekannt als Dialogorum libri III. Auf Bitten Papst Eugens III. gibt Anselm hier ein ausführliches Gespräch über die religiösen Differenzen zwischen Lateinern und Griechen wieder, das er zuvor mit dem griechischen Erzbischof Niketas geführt hat. Dem Dialog setzt er eine Ekklesiologie voran, in der er die Einheit des christlichen Glaubens bei gleichzeitiger Vielfalt institutioneller wie auch liturgischer Formen darstellt und verteidigt. Dieses Phänomen einer in ihren Formen pluralen Kirche steht im Zentrum des Interesses von S. Er ist insbesondere bemüht, Anselms Werk ökumenisch zu deuten: Er versucht, die von Anselm konstatierte Vielfalt kirchlicher Ordnung innerhalb der lateinischen Kirche (lib. 1) und die im zweiten und dritten Buch thematisierten Unterschiede zwischen griechischer und lateinischer Kirche gleichzusetzen. Das Trennende zwischen beiden sei für Anselm eher eine Frage von Lebensformen, die zwar ihre je eigene Bedeutung hätten, aber vom Glauben unterschieden werden müssten (S. 139). Aus historischer Perspektive wäre hier eine pointiertere Darstellung der von Anselm konstatierten Differenzen zwischen Griechen und Lateinern hilfreich gewesen. Dies auch deshalb, weil S. zugleich sehr anschaulich die Einbindung von Anselms Denken in zeitgenössische Traditionen aufzeigt, für die insbesondere Anselm von Canterbury und Abaelard stehen. Im Rückgriff auf eine bereits 2018 publizierte eigene Studie über den Rekurs Anselms von Havelberg auf das Werk des Gregor von Nazianz stellt S. zudem auch Anselms Kenntnisse der griechischen Tradition heraus, die er wohl in Konstantinopel erworben hatte. S.s Buch bietet einen konzisen Überblick der Forschungen zu Anselm von Havelberg und dessen Anticimenon, wie die nicht zuletzt bibliographische Einleitung demonstriert. Freilich wäre hier ebenso wie in der Bibliographie deutlich mehr Sorgfalt bei der Kontrolle der nicht-italienischsprachigen Titel nötig gewesen, die Dutzende Fehler beinhalten. Unklar bleibt, weshalb S. die Werke Bernhards von Clairvaux nach der Ausgabe der PL zitiert. Leseunfreundlich sind zudem teilweise seitenlange lateinische und griechische Textblöcke; durch entsprechende Übersetzungen hätte das Buch deutlich gewonnen. Die Studie wird durch vier Register zu Hss., ma. Autoren und ihren Werken, modernen Autoren und Namen beschlossen.

Mirko Breitenstein

(Rezensiert von: Mirko Breitenstein)