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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Georg Jostkleigrewe, Monarchischer Staat und ‘Société politique’. Politische Interaktion und staatliche Verdichtung im spätmittelalterlichen Frankreich (Mittelalter-Forschungen 56) Ostfildern 2018, Jan Thorbecke, 496 S., 1 Abb., ISBN 978-3-7995-4378-1, EUR 58. – Die Studie widmet sich unter dem in der französischen Forschung geläufigen, auf deutsch sperrig wirkenden Schlagwort „Société politique“ (für alle an politischen Prozessen beteiligten Akteure) den Aushandlungsprozessen von Herrschaft unter dem Blickwinkel unterschiedlicher Interaktionsmodi, insbesondere der konsensualen und administrativen. Das Ziel dabei ist, Schlüsse ziehen zu können, welche Faktoren in der französischen Monarchie des Spät-MA Prozesse der Verdichtung und Institutionalisierung auslösten. Der Vf. folgt explizit einem dezentralen und dekonstruktivistischen, ja geradezu selbstverständlichen Ansatz aktueller Forschung zur vormodernen Staatlichkeit: Es geht weniger um teleologische Prozesse unaufhaltbarer Verstaatlichung im Vergleich zu (und Bewertung gegenüber) aktuellen Formen als vielmehr darum, ganz unterschiedliche Interaktionen aufzuzeigen. In den Blick genommen werden dafür konkrete Ereignisse, wie „politische Prozesse“ (z. B. Robert d’Artois gegen seine Tante, die Fürstin Machaut), oder das Verhältnis von königlicher Gnade, Favoritentum und Feindschaft (z. B. die Könige von Navarra und Frankreich), um herauszuarbeiten, inwiefern (auch gewaltvolle) feudale Aushandlungsmechanismen, königliche Administration, Parteienkonflikte und Kommunikationsformen jeglicher Art zusammenspielten. Die behandelten Quellen stammen entsprechend zum größten Teil aus der königlichen Verwaltung und werden, wenn unediert, in den Fußnoten zitiert: Die Remissionsbriefe, Urkunden, Mandements, Unterstützungsstellungnahmen (darunter auch von ranghohen Fürstinnen am Hof) etc. stammen aus dem Trésor des chartes, dem königlichen „Archiv“, das ab den Valois-Königen sehr gut überliefert ist. Dazu kommen edierte politische Schriften, Apologien, öffentliche Anklagen und Gerichtsprotokolle, die von der lebhaften „Streitkultur“ der in den Blick genommenen „Société politique“ zeugen und unterstreichen, dass auch jenseits einer etwaigen monarchischen „Zentralmacht“ politische Interaktionen, Verdichtungsprozesse und Konsenssuche stattfanden.

Vanina Kopp

(Rezensiert von: Vanina Kopp)