DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Über Stoff und Stein: Knotenpunkte von Textilkunst und Epigraphik. Beiträge zur 15. internationalen Fachtagung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Epigraphik vom 12. bis 14. Februar 2020 in München, hg. von Tanja Kohwagner-Nikolai / Bernd Päffgen / Christine Steininger, Wiesbaden 2021, Harrassowitz, XII u. 384 S., 274 Abb., ISBN 978-3-447-11697-8, EUR 89. – Die Münchner Forschungsstelle der Deutschen Inschriften, an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt, stellt in diesem gewichtigen Tagungsband Textilien und Kleidung des MA und der frühen Neuzeit in den epigraphischen Kontext. Es geht dabei sowohl um Inschriften auf textilen Artefakten aus verschiedenen Materialien wie auch um die Darstellung von Textilien auf Grabplatten, Skulpturen, Gemälden und in der Literatur. Der übersichtlich in fünf große Abschnitte gegliederte Band bietet nach zwei einführenden Texten 23 Beiträge internationaler Vf., von denen zwei Drittel ma. Themen und Artefakte in den Blick nehmen. Sechs Beiträge sind auf Englisch veröffentlicht. Tanja Kohwagner-Nicolai (S. 24–41) bietet in einem Überblickstext zu liturgischen Gewändern und ihren Inschriften eine erhellende Gegenüberstellung erhaltener Paramente mit deren Darstellung auf Grabplatten sowie in Werken der bildenden Kunst, wo sich gewisse Abweichungen in Bezug auf Inschriften zeigen. So vorbereitet, erhält der Leser im ersten Abschnitt „Inschriften auf Textilien kirchlicher Nutzung“ einen detailreichen Einblick in die mit Schriften versehenen Textilfunde der Speyerer Bischofsgräber (Bernd Päffgen, S. 45–71), ferner zu Altartüchern mit Schriftbändern (Vincent Debiais, S. 72–83) und französischen Pontifikalhandschuhen des 12. und 13. Jh. (Estelle Ingrand-Varenne, S. 84–96). Der zweite Abschnitt „Textile Inschriften – Inschriften auf Textilien“ bietet drei Beiträge zu gewebten Schriftzeichen in Seiden- und Seidensamtgeweben (María Encarnación Martín López, S. 99–110; Beata Biedrońska-Słota, S. 111–120; Michael Peter, S. 121–140), die neben einer genauen Analyse der Schriften, ihrer Herkunft und ihres Inhalts auf anschauliche Weise auch die besonderen technischen Herausforderungen beim Weben von Buchstaben innerhalb eines Rapports vermitteln. Im dritten Abschnitt „Epigraphische Denkmäler als Quelle für die Textil- und Kostümmode“ gehen die meisten Beiträge von Grabplatten aus und analysieren deren Kleidungsdarstellungen, häufig im Abgleich mit anderen Quellengattungen und erhaltener Originalkleidung der Zeit. Bei Johannes Pietsch (S. 171–186) geht es um die Entwicklung der weiblichen Kopfbedeckungen im Spät-MA vom Schleier zur Visierhaube; Ioan Albu (S. 202–216) untersucht siebenbürgische Grabplatten als Ausweis einer multiethnischen Gesellschaft mit verschiedenen Sprachen, Ramona Baltolu (S. 217–231) stellt Kinderkleidung im Spiegel inschriftlicher Quellen vor. Der vierte Abschnitt „Textile Inschriften in der Literatur“ geht einen Schritt weiter, indem dort Beiträge zu ma. Literaturwerken versammelt sind, in denen textile Inschriften in Worten beschrieben werden. Hervorzuheben ist der hier eingestellte Beitrag von Andreas Dietmann (S. 285–301) zu Gewandsauminschriften in der ma. Kunst. Die Beiträge im finalen Abschnitt „Bildteppiche und ihre Inschriften“ stellen unter anderem Inschriften auf Funeraltüchern (Vera Henkelmann, S. 305–325) sowie auf den Walburga-Teppichen aus Eichstätt vor (Eileen Holler, S. 326–330). Der sorgsam edierte und gut bebilderte Band bietet einen breit gefächerten Einblick in die aktuelle Forschung zu dem bislang eher vernachlässigten Thema „Textilien und Text“ und füllt damit dankenswerter Weise eine große Forschungslücke. Der Leser wird durch die Lektüre animiert, künftig wesentlich genauer auf Textelemente bei Textilien zu achten, um deren Materialität, technische Ausführung, Symbolik und insbesondere ihren Quellenwert verstehen zu lernen.

Adelheid Rasche

(Rezensiert von: Adelheid Rasche)