Sara Bischetti, La tradizione manoscritta dell’„ars dictaminis“ nell’Italia medievale. „Mise en page“ e „mise en texte“ (Toscana bilingue 4) Berlin / Boston 2022, De Gruyter, 242 S., Abb., ISBN 978-3-11-070150-0, EUR 79,95. – Die Studie ist im Kontext des vom ERC finanzierten Projekts „Bilingualism in Florentine and Tuscan Works“ entstanden. B. unternimmt es, mit der ars dictaminis eine Gattung in den Blick zu nehmen, die sich ausweislich der enormen Rezeption und Benutzung größter Beliebtheit erfreute. Anders als jüngere Arbeiten zur ars dictaminis widmet sich B. weniger den Texten als solchen, ihren inhaltlichen Neuerungen und den Fortschreibungen im späteren MA, als ihrer Materialität. Die Arbeit versteht sich also als die erste vornehmlich kodikologische und paläographische Studie zu den artes dictandi überhaupt. B. verbindet damit die von ihr knapp kartierte jüngere Forschung zur ars dictaminis (S. 1–9) mit Methoden der Kodikologie in Anlehnung an Armando Petrucci. Im Hauptteil gliedert sich das Buch nach einer Darlegung der Selektionskriterien für die herangezogenen Hss. in zwei Kapitel zur Produktion und Verbreitung der Hss. von artes dictandi im 13./14. (S. 17–60) und im 15. Jh. (S. 61–90) und eine Zusammenfassung (S. 91–93). Die Selektion der Hss. fiel im Wesentlichen auf die bekannten artes dictandi im volgare von Guido Faba, Giovanni di Bonandrea und Albertano da Brescia; aus Gründen der Zugänglichkeit wurden von diesen Texten 70 Hss. aus Bibliotheken in Rom (Vatikan), Florenz, Mailand und Paris ausgewählt. Paläographische und kodikologische Befunde zu den 70 ausgewählten Hss. werden statistisch erfasst, die Ergebnisse in 27 Graphiken visualisiert, durch 26 farbige Abbildungen aus den Hss. illustriert und in der sehr knappen Zusammenfassung pointiert dargestellt. Die plausibel präsentierten Befunde sind insgesamt wenig überraschend: Guido Fabas Werke werden meist in kleinformatigen, handlichen Codices in je zwei Kolumnen überliefert, wurden also dem Gebrauch als „Vademecum“ angepasst (S. 92). Zugleich deutet die rückläufige Zahl der Überlieferung im 15. Jh. auf ein geringeres Interesse hin, was angesichts des aufkommenden Stilempfindens der Renaissance allerdings erwartbar und auch schon länger bekannt ist. Neu ist dagegen der Befund, dass auch die graphische Gestaltung der Seiten, die mise en page der Codices, insbesondere bei den Texten im volgare und solchen, die über das bloße dictamen hinaus auch die politische Rede einbeziehen, diversifizierter wird. Die hier statistisch belegte „variabilità delle scelte grafiche“ (S. 92) deutet auf breitere Rezeptionsräume institutioneller und personeller Ordnung hin, die insbesondere im volgare auch die einsprachigen Laien einbezogen. Dem darstellenden Teil schließen sich die Beschreibungen der 70 Hss. an. In diesen „Schede descrittive“ wird die Datengrundlage der Statistiken im Einzelnen nachgewiesen: heutiger Standort mit Signatur, Datierung, Beschreibstoff, Umfang und Maße, Lagen, Schreiberhände und paläographische Einordnung, Dekoration, Bindung, Provenienz, innere Beschreibung und Bibliographie. 20 farbige Abbildungen (von leider nicht durchgehend überzeugender Qualität) und ein Hss.-Index runden das Buch ab, das dank der Hss.-Beschreibungen im Anhang zu einem wertvollen Hilfsmittel für die Erforschung des lange verkannten Genres werden wird.
Florian Hartmann
(Rezensiert von: Florian Hartmann)