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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Joseph Canning, Conciliarism, Humanism and Law. Justifications of Authority and Power, c. 1400–c. 1520, Cambridge u. a. 2021, Cambridge Univ. Press, XI u. 203 S., ISBN 978-1-108-83179-6, GBP 75. – Der englische Historiker geht der Frage nach der Legitimierung von Autorität und davon abgeleitet der Rechtfertigung von Herrschaft und Machtausübung im späten MA sowie im Zeitalter des Humanismus nach und fragt nach deren Begründung durch zeitgenössische Denker. Das Buch ist in vier Abschnitte unterteilt. In den ersten beiden (S. 8–91) beschäftigt sich C. mit der Begründung päpstlicher plenitudo potestatis und ihrer Begrenzung, wie sie von namhaften Vertretern konziliarer Überlegungen (Gerson, Panormitanus) vorgenommen wurde. Diesen stellt C. die Argumente ausgewählter papalistischer Autoren, etwa des späteren Nikolaus von Kues, Torquemadas und de’ Rosellis, gegenüber, wobei auffällt, dass einzelne Autoren ihre Position über die Jahre änderten. Ausgangspunkt für das Denken dieser Gelehrten ist Petrus’ Beauftragung durch Christus (Matth. 16, 18–19), die als Ursprung kirchlicher Hierarchisierung von Macht interpretiert wird. Daraus ergibt sich die Frage nach der von Gott der Kirche übertragenen Macht – ist sie der Gesamtkirche, repräsentiert durch das Generalkonzil, gegeben oder dem Papst, seinem Amt oder der Person? In der Krise des abendländischen Schismas gewann diese Frage Brisanz. Gestützt auf dieselben autoritativen Schriften, gelangten die Autoren trotzdem zu unterschiedlichen, ja antagonistischen Positionen. Indes blieb die Reichweite ihrer Überlegungen auf die klerikale Sphäre beschränkt; die säkulare Welt, sprich die der Laien, spielt kaum eine Rolle. Dies macht die Verknüpfung mit den folgenden Abschnitten des Bandes nicht eben einleuchtend. In Abschnitt 3 (S. 92–143) befasst sich C. mit dem italienischen Humanismus. Für dessen Vertreter (Bruni, Palmieri, Patrizi u. a.) ist bei Rückgriff auf die antiken Autoren der Tugendbegriff von zentraler Bedeutung. Das „common good“ wird ihnen zur Richtschnur für die Berechtigung von Herrschaftsausübung, unabhängig davon, ob sie ein republikanisches oder fürstliches Herrschaftsmodell priorisieren. Für Machiavelli ging es dagegen vorrangig um ein auf das Recht gestütztes politisches Handeln, ein moralischer Impetus wird negiert. Gemeinsam ist den Denkern, dass sie alle, juristisch gebildet, auf dem Boden des römischen und kanonischen Rechts standen. Konsequenterweise beschäftigt sich C. im abschließenden vierten Abschnitt (S. 144–178) mit der Rolle des Rechts als Legitimationsgrundlage für Macht und Herrschaft. Er kann zeigen, wie die Berechtigung verschiedener Herrschaftsmodelle aus dem Recht und seinen Auslegungen abgeleitet wurde. Insgesamt gelingt es C., anhand der Darstellung unterschiedlicher Positionen zur Legitimierung von Autorität und Macht einen Einblick in einen zentralen Aspekt politischen Denkens im 14./15. Jh. zu geben. Dabei stützt er sich maßgeblich auf die Originalquellen. Für eine breitere Leserschaft dürfte hilfreich sein, dass er die zahlreichen, meist lateinischen Zitate ins Englische übersetzt, das Original aber jeweils in den Fußnoten nachzulesen ist. Der Eindruck, dass der Band vornehmlich eine englischsprachige Leserschaft anspricht, wird durch C.s Angaben zu den besten Ausgaben der von ihm benutzten Autoren bestätigt. Die Literaturhinweise vorrangig englischsprachiger Provenienz in Fußnoten und Bibliographie sind recht knapp. Dass damit wichtige Untersuchungen aus anderen Sprachräumen zu kurz kommen, ist zu bedauern.

 Ansgar Frenken

(Rezensiert von: Ansgar Frenken)