Sarah Greer, Commemorating Power in Early Medieval Saxony: Writing and Rewriting the Past at Gandersheim and Quedlinburg (Studies in German History) Oxford 2021, Oxford Univ. Press, 224 S., 5 Abb., ISBN 978-0-19-885013-7, GBP 75. – G. legt eine gut begründete Studie vor. Sie zeigt, wie die Klöster Gandersheim und Quedlinburg ihre eigene Geschichte erzählten, indem sie ihre Vergangenheit manipulierten und das, was sie nicht brauchen konnten, einfach ignorierten oder neu erfanden. Das Buch leistet hervorragende Arbeit bei der Rekontextualisierung dieser Manipulation der Geschichte durch die Nonnen. G. dekonstruiert die Quellen erneut und hilft uns damit, einige lang gehegte Annahmen zu überdenken. Memoria ist eines der wichtigsten Werkzeuge in G.s zwei Fallstudien, in denen sie die Spannungen zwischen den frühesten Quellen und den späteren, durchaus verführerischeren, aufzeigt. Diese Spannungen löst sie auf, indem sie sich strikt an die alte Weisheit hält, dass jede Quelle in ihrer eigenen sozialen Logik zu betrachten sei. G. verfällt nie den Verlockungen der Teleologie und übt zu Recht Kritik an früheren Forschern, die dazu neigten, die Quellen als selbstverständlich anzusehen und alles andere in die von den Kanonissen und Nonnen geschaffene Form zu pressen. Aus dieser Methodik ergeben sich viele interessante Beobachtungen, die Erkenntnis zum Beispiel, dass es so etwas wie ein kohärentes „liudolfingisches“ oder „ottonisches“ Programm zur Ausnutzung der Reichskirche nie gegeben hat: Die herrschenden Familien trafen nur zu häufig ad hoc Entscheidungen und überließen es späteren Autoren, deren Ergebnisse zu erklären. Mit anderen Worten: Diese Dynastien wurden nicht nur von proaktiven Patriarchen geschaffen, sondern auch von rückblickenden Nonnen, die darauf achteten, wie die Erinnerung den nächsten Generationen dienen würde. Manchmal scheint G. die Frage zu übersehen, für wen diese Erzählungen eigentlich geschrieben wurden oder wen die Nonnen überzeugen wollten. Ebenso lässt die Konzentration auf die literarische Konstruktion manchmal leicht vergessen, dass die Klöster mehr als nur passive Beobachter waren: Die von G. analysierten Texte erinnern durchaus an Handlungen, die in einer sehr realen Welt spielten. Nichtdestoweniger hat G. ein bewundernswert kurzes und zugängliches Buch über eine sehr komplexe Materie geschrieben. Leser werden den klaren Stil und die straffe, aber sorgfältig konstruierte Argumentation zu schätzen wissen, in der sie Schicht um Schicht aufbaut, um zu beweisen, dass die Bedeutung Gandersheims eher in seiner Funktion als Hüter des familiären als des dynastischen Gedächtnisses liegt. Darüber hinaus werden sie sich von ihrer (überzeugenden!) Behauptung herausgefordert fühlen, dass Quedlinburg vielleicht doch nicht von Mathilde gegründet wurde, sondern dass man sich eher aus politisch-pragmatischen Gründen so „erinnerte“. Mit solch kühnen, aber gut begründeten Behauptungen fordert das Buch dazu auf, es vor allem als Ausgangspunkt für weitere Forschungen über ottonische Frauenklöster zu genießen.
Rutger Kramer
(Rezensiert von: Rutger Kramer)