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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Sébastien Cazalas, Jean Juvénal des Ursins, prélat engagé (1388–1473). Étude des épîtres politiques (Bibliothèque du XVe siècle 85) Paris 2020, Honoré Champion, 729 S., ISBN 978-2-7453-5409-9, EUR 85. – Mit Jean Juvénal des Ursins nimmt C. einen der umtriebigsten politisch engagierten Gelehrten des 15. Jh. in den Blick. Dieser entstammte einer politisch angesehenen Familie und brachte es seinerseits zum Erzbischof von Reims (als Nachfolger seines Bruders). In dieser Funktion salbte er 1461 König Ludwig XI. Jean Juvénal gehörte also zweifellos zur geistig-politischen Elite seines Landes. Gegenstand von C.s Studie sind die politischen Schriften Jeans, von diesem selbst „Episteln“ (épîtres) genannt. Diese bieten in ihren Themen tatsächlich ein Panorama der für Frankreich ereignisreichen Zeit, musste sich das Reich doch nach inneren Querelen, einem Bürgerkrieg (1405–1435) und einem noch andauernden Krieg gegen England neu finden: Wie konnte die Legitimität König Karls VII. gestärkt werden, der sein Reich doch erst von den Engländern zurückerobern musste? Wie ließ sich ein ‘Staat’ nach den Vorgaben des römischen Rechts aufbauen? Und wie sollte man die nationale Einheit der Franzosen gegen die Engländer stärken? Die politische Dimension der épîtres steht jedoch nicht im Fokus von C., der sie vielmehr explizit als literarische Werke in den Blick nimmt: mit Ausführungen zu der von Jean genutzten Bibliothek (Kapitel 1) bzw. den von ihm genutzten Werken, die er sehr gezielt direkt zitiert oder auf die er nur anspielt (Kapitel 2–4). In weiteren Zugriffen thematisiert C. die Selbststilisierung Jeans (Kapitel 5), seine Handlungsethiken (Kapitel 6) sowie sein ökonomisches Denken (Kapitel 7) und schließlich seinen Gebrauch spezifischer Worte (etwa ymaginacion) und Wendungen, um eine fiktionale Ebene des Möglichen in der Politik zu beschreiben (Kapitel 9 und 10). Während der Herausgeber der Schriften Jean Juvénals, Peter Shervey Lewis, diesen eher als mediokren und zudem einflusslosen Schreiber abtat, stilisiert C. den Erzbischof zu einem Helden, seine Werke zu einem „fabelhaften Observatorium eines Jahrhunderts“ (S. 662), in dem Frankreich nach einer Krise wieder Gestaltungsmöglichkeiten bekam, die Jean Juvénal kraft seines Wortes nutzen wollte. Nach C. habe der Erzbischof dabei eine konsequente politische Linie verfolgt, nach der das Königtum gestärkt und die Kirche in gallikanischer Manier an die Krone gebunden werden sollte. In C.s unkritischem Lobgesang auf Jean Juvénal liegt allerdings ein Problem: Als Erfolg von dessen Schriften vermerkt er, sie hätten Frankreich aus Ruinen wieder errichtet (S. 671f.); den Nachweis dafür aber, d. h. für eine Rezeption und tatsächliche Wirkung der Werke, bleibt er schuldig. Was bleibt, ist ein fundierter Blick auf die herausragende literarische Gestaltung politischer Traktate im spätma. Frankreich.

Christoph Mauntel

(Rezensiert von: Christoph Mauntel)