DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Guillermo Tomás Faci / Carlos Laliena Corbera (coords.), Rogar al rey, suplicar a la reina. El gobierno por la gracia en la Corona de Aragón, siglos XIII–XV, Zaragoza 2021, Prensas de la Univ. de Zaragoza, 368 S., Abb., ISBN 978-84-1340-323-6, EUR 26. – Der Band ordnet sich in aktuelle Forschungen zur konsensualen Herrschaft ein und will die Ausübung der Herrschaftsaushandlung in der Krone Aragón im späten MA nicht anhand einer bestimmten Personengruppe, sondern aus der Perspektive der Quellengattung der Suppliken untersuchen. Die Krone Aragón ist aufgrund ihrer außergewöhnlich guten Überlieferungslage bestens dafür geeignet, ein solches Unterfangen anzugehen. Die Hg. leiten das Thema in ihrer Einführung (S. 9–18) aus der jüngeren Herrschaftsgeschichtsforschung her, die bisher freilich vor allem Eliten als maßgeblich an der Herrschaftsaushandlung beteiligte Akteure in den Blick genommen habe. Die zentrale Quellengattung aber sei – so die Hg. – die aus dem Papsttum kommende Supplik gewesen, die wie keine andere Dokumentenform für die Möglichkeit stehe, an den Herrscher heranzutreten und am politischen Entscheidungsfindungsprozess teilzuhaben. Egal welchen Namen das Dokument am Ende trägt – súplica, ruega, greuga, petición –, immer geht es darum, eine Gnade oder einen Gefallen von jemandem zu erbitten, der die Macht besitzt, diese zu gewähren. Aufgrund der Masse des vorhandenen Materials habe die spanische Forschung die Supplik bisher als gegeben hingenommen, ohne deren Charakteristika genauer zu untersuchen, während andere Länder – wie Eduard Juncosa Bonet (S. 329–338) in der Zusammenfassung hervorhebt – dem Thema bereits systematische Studien gewidmet haben. Dem möchte der Sammelband nun Abhilfe schaffen. Er geht auf eine Tagung in Zaragoza aus dem Jahr 2019 zurück und reiht sich ein in ein Forschungsprogramm zu „Dynamiken des Staats in der Krone Aragón“, in dem bereits mehrere Bände zur Differenzierung der aragonesischen Herrschaftsgeschichtsschreibung auf dem Weg zum modernen Staat (die darin innewohnende Teleologie wird von den Hg. in der Einleitung kritisiert) beigetragen haben. Die erwähnte Einleitung und die konzise, perspektivenöffnende Zusammenfassung von E. Juncosa umschließen drei inhaltliche Teile. Der erste widmet sich mit zwei Beiträgen der Basis der Analyse: den Quellen. Der zweite Teil, El gobierno de la gracia, nimmt die Perspektive der Herrschenden ein und untersucht aus vier verschiedenen Perspektiven die Auswirkungen der Suppliken auf das politische Handeln und die politische Kultur. Der dritte Teil trägt den poetischen Titel El lamento de los oprimidos und nimmt entsprechend die Perspektive der Supplikanten ein, vor allem jener, die aus sozialen Schichten stammten, die sonst keinerlei Möglichkeit hatten, mit dem König in Kontakt zu treten. Diese Breite ist besonders hervorzuheben, da der Band so eben auch neueren Forschungsrichtungen Raum gibt. Der Band schließt mit der Edition einer repräsentativen Auswahl von 20 Dokumenten, die sowohl Suppliken wie auch Antworten und Rückfragen auf solche enthält und verschiedene Territorien der Krone Aragón ebenso berücksichtigt wie verschiedene Typen von Supplikanten. Insgesamt gelingt es, interessante Impulse für die Untersuchung der politischen Kultur und Kommunikation zu setzen, Ergebnisse zu präsentieren und den Weg für weitere Forschungen zu ebnen, die dann allerdings auf ein weit größeres Korpus aufgebaut werden müssen, idealerweise unter Zuhilfenahme digitaler Methoden.

Robert Friedrich

(Rezensiert von: Robert Friedrich)