Drei Augustinus-Biographien des XII. Jahrhunderts. Ivo von Chartres, Rupert von Deutz, Philipp von Harvengt, hg., übersetzt und kommentiert von Heinz Erich Stiene (Bibliothek der Mittellateinischen Literatur 16) Stuttgart 2019, Hiersemann, XII u. 178 S., ISBN 978-3-7772-1905-9, EUR 164. – Naturgemäß können Autoren des 12. Jh. keine eigenen historischen Kenntnisse über den heiligen Augustinus beitragen und fußen im Wesentlichen auf dessen Confessiones und der kurz nach seinem Tod entstandenen Vita des Possidius. Gleichwohl legen ihre Bearbeitungen aber Zeugnis ab für die zunehmende Wertschätzung, die der Kirchenvater nach der Jahrtausendwende erfuhr. So unterschiedlich Herkunft und Werdegang der drei Biographen, des Bischofs Ivo von Chartres, des Benediktinerabts Rupert von Deutz und des Prämonstratensers Philipp von Harvengt, Abt von Bonne-Espérance in Estinnes (Hennegau), so disparat ist auch der Charakter dieses Bandes. Ivos Excepciones (S. 26–81), eine Exzerptsammlung aus den beiden genannten spätantiken Werken, werden erstmals ediert, allerdings nur nach der jüngsten Hs. Cambridge, Peterhouse College, 179, fol. 52–57 (15. Jh.). In der Vorrede zu Ivos Leben und Werken wird S. 19 auf sechs weitere, ältere Hss. verwiesen. Da die Cambridger Hs. vor dem Tod des Heiligen abbricht, hat der Hg. seine Ausgabe durch drei Kapitel aus dem Augustinus-Offizium ergänzt. Er stellt seinem Text eine deutsche Übersetzung gegenüber. Ausschließlich in Übersetzung werden die beiden anderen Viten präsentiert. Bei Ruperts Lebensbeschreibung (BHL 791; S. 90–112), die erstmals 2004 nach der jüngeren von zwei Hss. ediert wurde (vgl. DA 61, 268; zur Überlieferung vgl. S. 83 mit Anm. 2) geht der auf dieser Ausgabe fußenden Übersetzung u. a. eine Corrigendaliste zur Edition von 2004 voraus (S. 88f.). Anders als Ivo und Rupert blickt Philipp von Harvengt über den Tod des Heiligen hinaus und rundet seine Lebensbeschreibung (S. 128–173) mit der Translation der Heiligengebeine erst nach Sardinien, im 8. Jh. dann nach Pavia ab. Hier stand vermutlich der Translationsbericht im Memorialbuch des Klosters San Savino in Piacenza Pate, doch gibt es mindestens zwei weitere Textzeugen einer Translatio Augustini (S. 125–127). Philipps Augustinus-Vita (BHL 793) ist durch wenigstens 14 Hss. auf uns gekommen (S. 119); ob die vorgelegte Übersetzung auf der editio princeps des Nicolas Chamart (Douai 1621) oder dem Nachdruck in Migne, PL 203, beruht, bleibt im Dunkeln (vgl. S. 113). Allen drei Texten ist gemeinsam, dass auf die oben genannten Vorlagen jeweils am Seitenrand verwiesen wird, die Texte durch eine Vorrede eingeleitet und durch einen sparsamen Anmerkungsapparat erschlossen werden. Ein selektives Namen- und Sachregister beschließt den schmalen Band, bei dessen exorbitantem Preis man sich ernsthaft nach dem intendierten Leserkreis fragt.
Mathias Lawo
(Rezensiert von: Mathias Lawo)