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The letter collections of Nicholas of Clairvaux, edited and translated by Lena Wahlgren-Smith (Oxford Medieval Texts) Oxford 2018, Clarendon Press, XCVIII u. 325 S., ISBN 978-0-19-967151-9, GBP 95. – Auch wenn der im Benediktinerkloster Montiéramey ausgebildete Nicolaus nur etwa fünf Jahre seines Lebens (er muss zwischen 1175 und 1178 in dem Montiéramey unterstellten Priorat St-Jean-en-Châtel zu Troyes verstorben sein) in Clairvaux verbrachte und von dort unter dem Vorwurf missbräuchlicher Verwendung der Siegel seiner Vorgesetzten im Jahr 1152 entfernt wurde, wird er doch allenthalben als Nicolaus von Clairvaux bezeichnet. Zwar sind ihm verschiedene geistliche Werke mehr oder weniger sicher zuzuschreiben (S. XXX–XXXIV) und werden nach einem biographischen Abriss (S. XIII–XXX) kurz behandelt, doch sind vor allem seine Briefe von historischem Interesse. Hier wird die S. XXXIV angegebene Anzahl („a total of over seventy letters“) allerdings deutlich unterschritten: Auf sieben Briefe aus Einzelüberlieferung, die sich Nicolaus mehr oder weniger sicher zuschreiben lassen, folgen zwei Sammlungen von 50 (denn Nr. 9, 51 und 53 sind an ihn gerichtet) bzw. vier Briefen. Hinzu kommt ein unnumeriertes, als „Five exordia“ überschriebenes Stück zwischen Nr. 3 (58) und Nr. 4 (59), das aber eher wie eine Zusammenstellung von zwei Sentenzen und drei Kurzbriefen oder Briefbruchstücken wirkt. Da Nicolaus gerade während seiner Zeit in Clairvaux eine Reihe von Briefen in fremdem Namen geschrieben hat, liegt freilich der Verdacht nahe, dass es weitere noch unerkannte Briefe gibt, bei denen erst ein Stilvergleich eine Autorzuschreibung ermöglichen wird. Für einen solchen erscheinen die Ausführungen S. L–LIV zu Cursus und Stilelementen dann aber doch zu kurz geraten. Die beiden Sammlungen werden als längere Clairvaux-Sammlung auf vor 1149 und als kürzere Champagne-Sammlung um 1160 datiert. Letztere trägt ihren Namen vom ersten Brief, der an Graf Heinrich I. von der Champagne gerichtet ist. Zu diesem ließe sich S. 260 Anm. 1 ein Hinweis auf Theodore Evergates, Henry the Liberal, Count of Champagne 1127–1181 (2016), nachtragen. W.-S. stützt sich für diese zweite, bisher als Ganzes unedierte Sammlung wiederholt auf einen unpublizierten Aufsatz des 2016 verstorbenen John F. Benton, für den S. 264 Anm. 1 auf eine im Band nicht existente Appendix VI verwiesen wird. Alleiniger Überlieferungsträger der Champagne-Sammlung ist Berlin, SBPK, Phillipps 1719, fol. 116–118 (datiert auf 1200/1210; Sigle B). Die umfangreichere Clairvaux-Sammlung ist vollständig überliefert lediglich in der nicht besonders sorgfältigen Erstedition von Jean Picard (nach einer bis heute nicht auffindbaren Hs. aus Troyes) im Rahmen der im 17. Jh. mehrfach nachgedruckten und erweiterten Bibliotheca veterum patrum, als deren älteste Ausgabe ein Exemplar der Bodleian Library von 1609/10 identifiziert wird. Erhaltene Teilüberlieferungen liegen vor in B (fol. 97r–116r für Nr. 3–42) und in Paris, BNF, lat. 3012, fol. 1–32 (für Nr. 28 [akephal]–49 [Abbruch im Text]; entstanden 1165–1175; Sigle P), daneben finden sich Nr. 14 auch in Clm 9516, Nr. 7 und 15 in Dijon, BM, Ancien fonds MS 191 (155). Die Überlieferungsangabe im Apparat S. 94 zu Nr. 25 (statt 15) beruht offensichtlich ebenso auf einem Irrtum wie der Verweis S. XCI auf Nr. 27 (statt 7). Folioangaben fehlen zu diesen Einzelüberlieferungen, wie überhaupt die Hss.-Beschreibungen (S. LXXXI–LXXXVII) eher unsystematisch daherkommen, nicht exakt sind (vgl. S. LXXXV, wo es am Ende der Ausführungen über B „Letters 3–27 and beginning of Letter 28“ heißen muss) und zumindest dann zum Schmunzeln anregen, wenn P als „another small book, of 165 x 115cm“ (ebd.) bezeichnet wird. Nach Meinung der Editorin ist B für beide Sammlungen lediglich eine Entwurfsversion, während P und die textlich eng verwandte Edition von Picard die Endfassung der Clairvaux-Sammlung darstellen. Letzteres mag stimmen, obwohl ein ganzer Abschnitt (S. LXXXVI) der Beschreibung von P auf der unbeweisbaren Annahme aufbaut, dass die akephale Hs. den gleichen Textumfang aufwies wie die editio princeps. Außerdem erscheint bedenkenswert, ob B nicht als Teilabschrift eines Privatregisters dem ursprünglich von Nicolaus in die Welt gesetzten Brieftext sehr viel näher stehen könnte als das vielleicht für eine literarische Brief- oder Formularsammlung stärker stilisierte und verschiedentlich entpersonalisierte P (und die Erstedition) und deshalb nicht ohne Weiteres in den Apparat hätte verwiesen werden dürfen; man vgl. etwa die Salutationes von Nr. 3, 7, 11, 15, 26, 29, 31, 32 mit z. T. wesentlichen Zusatzinformationen in B. Angesichts dieser schwierigen Überlieferungslage und der Tatsache, dass keiner der Überlieferungsträger als gut zu bezeichnen ist, verdient die Editorin für ihre Ausgabe unbedingt Respekt (zu ihren Editionsprinzipien vgl. S. XC–XCVII). Gleichwohl kann man sich an manchen Stellen eine andere Entscheidung durchaus vorstellen, beispielsweise in Nr. 14 S. 50 Anm. c, S. 52 Anm. x (Wortspiel accedere / accendere) und S. 54 Anm. g (nec statt der Cruces). Die angenommene Lücke in Nr. 17 S. 72 Anm. r ließe sich zumindest als diagnostische Konjektur unschwer mit fama füllen, bei Nr. 19 S. 80 Anm. b–b wird man mit Vulg. Isai. 11,3 spiritum consilii et fortitudinis ergänzen. In Nr. 38 hätte S. 150 Anm. b–b der Hinweis nicht geschadet, dass das zweimalige pauperi von B an zweiter Stelle doch wohl zu pauper zu korrigieren ist. Schließlich könnte S. 152 Z. 1 in nec (statt zu erwartendem ne) ein gemeinsamer Überlieferungsfehler vorliegen, bei Nr. 40 S. 170 Anm. a–a scheint es sich bei abbaten hingegen um einen bloßen Druckfehler zu handeln. Eine tiefergehende Lektüre mag hier noch manches weitere diskussionswürdige Detail und manche Ergänzung zu Tage fördern. Mit dieser zweisprachigen Edition gibt es dafür jedenfalls eine gute Grundlage. Überhaupt wird vielen Lesern des Bandes die Übersetzung der zuweilen schwülstigen Briefe das Verständnis zweifelsohne erleichtern. Von deren Diskussion soll hier abgesehen werden, doch sei der Hinweis erlaubt, dass in der Einleitung S. XVI Anm. 15 nobis wohl kaum mit „you“ zu übersetzen ist. Der Band wird bereichert durch fünf Appendices zu inhaltlichen Einzelaspekten, ein Similienverzeichnis und ein Namenregister. In der von Druckfehlern nicht freien und zumindest für die antiken Autoren oft überholte Editionen zitierenden Bibliographie vermisst man den Aufsatz von A.-M. Turcan-Verkerk, Lʼintroduction de lʼars dictaminis en France. Nicolas de Montiéramey, un professionnel du dictamen entre 1140 et 1158, in: B. Grévin / A.-M. Turcan-Verkerk, Le dictamen dans tous ses états. Perspectives de recherche sur la théorie et la pratique de lʼars dictaminis (2015) S. 63–98.

Mathias Lawo

(Rezensiert von: Mathias Lawo)