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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Bishops’ Identities, Careers, and Networks in Medieval Europe, ed. by Sarah E. Thomas (Medieval Church Studies 44) Turnhout 2021, Brepols, VIII u. 312 S., Abb., Diagramme, Karten, ISBN 978-2-503-57910-8, EUR 85. – Der Sammelband vereinigt 13 Aufsätze zur spätma. Bischofsgeschichte, die aus Vorträgen der im Jahr 2017 abgehaltenen Abschlusstagung eines AHRC-Projekts an der Univ. Aberdeen hervorgegangen sind. Während das Forschungsprojekt den Erwerb von Bischofsstühlen in Schottland und Norwegen zum Thema hatte, erweitert der Band die Perspektive auf zahlreiche weitere europäische Räume, nicht jedoch auf das Heilige Römische Reich, und behandelt vielfach thematisch mehr als nur den Aufstieg in ein Bischofsamt. In ihrer lediglich knapp zehn Seiten umfassenden Einleitung (S. 1–12) erläutert die Hg. die vier methodischen Zugänge, anhand derer das Sammelwerk in ebenso viele Sektionen eingeteilt wurde: Einige der Beiträge arbeiten prosopographisch, eine zweite Gruppe wendet Ansätze der Netzwerkanalyse an, und in der dritten Sektion werden biographische Zugänge verfolgt. Abgeschlossen wird der von einem Personen-, Orts- und Sachregister erschlossene Band von einer vierten thematischen Sektion, die sich dem wachsenden Einfluss des Papsttums bei der Besetzung der Bischofsstühle im Spät-MA widmet. Die Resultate der Studien werden in der Einleitung in lediglich einem einzigen Absatz als Belege für ein je nach Zeit und Raum unterschiedliches Bild zusammengefasst. Die Vielgestaltigkeit der Ergebnisse, die in der Mehrheit der Beiträge am Beispiel eines Bischofs oder eines Bistums erarbeitet wurden, warnt tatsächlich vor einer vorschnellen Verallgemeinerung: So legen die Aufsätze zu England, Frankreich und Portugal nahe, dass in Herrschaftsbereichen starker Zentralgewalten der königliche Einfluss bei den Einsetzungen von Bischöfen im Lauf des Spät-MA zunahm, wohingegen die Studien zu Polen, Spanien und Italien die Bedeutung der regionalen adeligen Netzwerke und der Domkapitel hervorheben. Eine zunehmende Auswirkung des päpstlichen Provisionswesens konnte für Italien, kaum aber für Osteuropa oder Skandinavien beobachtet werden. Diese Ergebnisse sind mit Blick auf die im spätma. Europa unterschiedlichen herrschaftlichen Strukturen bzw. auf die räumliche Nähe oder Ferne zum Papsttum durchaus erwartbar, und so liegen die Stärken des Sammelbands in den Detailuntersuchungen, die beispielsweise für Kastilien eine Vielfalt an Karrierewegen vor dem Bischofsamt (Aída Portilla González, S. 121–151) oder für Norwegen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss der Erzbischöfe (Steinar Imsen, S. 153–176) zeigen. Der Tagungsband unterstreicht somit, dass die Vielgestaltigkeit der europäischen Bischofsgeschichte sowohl differenzierter Erklärungen als auch einer weiteren Erforschung bedarf.

Andreas Bihrer

(Rezensiert von: Andreas Bihrer)