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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Maria Weber, Schuldenmachen. Eine soziale Praxis in Augsburg (1480 bis 1532) (Verhandeln, Verfahren, Entscheiden 7) Münster 2021, Aschendorff Verlag, VII u. 334 S., Abb., ISBN 978-3-402-14667-5, EUR 51. – W. hat mit dieser Qualifikationsschrift Beeindruckendes geleistet! Sie hat sich durch einen Berg von Gerichtsprotokollbüchern gearbeitet, bald quantifizierend, bald mit dem mikroskopischen Blick der jüngeren Kulturwissenschaften, und den Fokus auf die Klage, die streitende Gerichtsbarkeit gelegt, ein Novum; und sie hat es verstanden, ihre Quellenanalyse theoretisch beziehungsweise praxeologisch zu fundieren – nicht nur im Einleitungsteil (S. 3–19), sondern durchgehend in allen Kapiteln der Arbeit. Ihr Erkenntnisinteresse ist dreifach (vgl. S. 1f.): Sie fragt nach den Variablen und Konstituenten des Schuldenmachens, dem Schuldenmachen im praktischen Vollzug sowie nach der Bedeutung des Schuldenmachens an der Wende vom 15. zum 16. Jh. Aus der Fülle der nach Jahren geführten Gerichtsprotokollbücher musste eine Auswahl getroffen werden. Die Kriterien sind im ersten Teil nicht dieselben wie im Analyseteil, was darauf hindeutet, dass im Arbeitsprozess eine Umorientierung stattgefunden hat: Zunächst arbeitet W. in Fünfjahresschritten mit elf Büchern (S. 43); die Reihe beendet sie mit dem Jahr 1520, ergänzt sie aber um die Jahrgänge 1527 und 1532; 1527 verzeichnet von allen Jahrgängen die wenigsten Klagen (S. 45). Gründe werden nicht diskutiert. Im Analyseteil erweitert W. ihre Quellenbasis aus inhaltlichen Gründen um weitere fünf Jahrgänge: 1481, ein willkürlich gewähltes Jahr; 1495, der Höhepunkt des Augsburger Weberstreits; 1504, ein Pestjahr; 1516, das Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen; und 1531, das Jahr der Gerichtsreform (S. 57f). Den Anfangspunkt der Untersuchung setzt das allererste Gerichtsprotokollbuch aus dem Jahr 1480, das zugleich die meisten Klagen verzeichnet (S. 45). Gründe werden abermals nicht diskutiert. Den Endpunkt setzt die Reformation. W. geht in sechs Arbeitsschritten vor: Zunächst werden die Quellen vorgestellt, dann die normative Rahmung umrissen sowie die rohen Zahlen, Akteure, Institutionen und Verfahren vorgestellt und die Geld- beziehungsweise Münzfrage diskutiert, die Währung, in der Geld geliehen und verliehen wurde. Etwas störend wirkt die Vielzahl der Tabellen und Diagramme, deren Informationsgehalt im Text und im Anhang nicht immer ausgeschöpft wird. Der eigentliche Analyseteil (das fünfte Kapitel) trägt die Überschrift „Doing Debt – Schuldenmachen, aber wie?“ Es geht den verschiedenen Arten des Schuldenmachens nach, die in den Gerichtsprotokollbüchern diskutiert werden: geliehenes Geld, ausbleibender Gesindelohn, nicht bezahlter Mietzins, der Verlag ... Ergänzt wird der Analyseteil um ein Kapitel, das den medialen bzw. materiellen Dimensionen des Schuldenmachens gewidmet ist (Schuldbriefe, Konfessate, Pfänder etc.). Das Verfahren vor Gericht wird mit großer Sorgfalt rekonstruiert, weil es die Praktiken des Schuldenmachens rahmte und formte et vice versa (S. 79–110). Drei Befunde fallen auf: 1. die große Ähnlichkeit der Verfahrensabläufe in den Städten des Südwestens bei unterschiedlicher Begrifflichkeit; 2. die vergleichsweise geringe Ausdifferenzierung der Augsburger Gerichtsprotokollbücher, die Mischbücher sind; 3. die Gleichförmigkeit der Praktiken, wobei überwiegend um sehr kleine Summen gestritten wird. Schuldenmachen ist eine Sache, Schulden vor Gericht einzuklagen oder Schulden vor Gericht zu ­bekennen, eine andere. Die Zahl der Klagen geht in Augsburg kontinuierlich zurück, während die Zahl der Konfessate steigt. Das scheint aber eine lokale Besonderheit zu sein (vielleicht lohnt sich ein Blick in die diesbezüglichen Aktivitäten des Augsburger Offizialatsgerichts). Der kontinuierliche Rückgang der Klagen an sich ist erklärungsbedürftig. In den Gerichtsprotokollbüchern allein wird sich die Antwort wohl nicht finden. Einleitend wird Augsburg als Metropole von gesamteuropäischer Bedeutung vorgestellt, deren Vermögen sich im Untersuchungszeitraum bis 1516 dank Handel versechsfacht habe. Das ist die soziale Welt, mit der sich Mark Häberlein befasst. W.s Schuldner sind andere: Im Gerichtsprotokollbuch von 1495 ließen sich 45 Prozent der mit Namen und Beruf genannten Schuldner der Berufsgruppe der Weber zuordnen. Später gehen die Zahlen markant zurück, weswegen? Zu den Webern gäbe es noch viel zu sagen – und ich hoffe, W. tut es auch.

Gabriela Signori

(Rezensiert von: Gabriela Signori)