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Hezilo und die Freien von Tschengls. Von Kanzlern, rätischen Urkunden, Freien im Vintschgau und einer adeligen Grablege, hg. von Rainer Loose (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 49) Innsbruck 2021, Univ.-Verlag Wagner, 191 S., Abb., beigelegte Stammtafel, ISBN 978-3-7030-6568-2, EUR 34,90. – Der Hg. zählt zu den profundesten Kennern der früh- und hochma. Verhältnisse des Südtiroler Vinschgau und der benachbarten Regionen. Über Jahrzehnte beschäftigte er sich mit der Geschichte dieses Raums, insbesondere der Siedlungsgeschichte, und hat darüber zahlreiche Studien vorgelegt. Dazu zählen auch seine jahrelangen Forschungen über die Herren von Tschengls, die im oberen Vinschgau in einer Zeit ihre Spuren hinterließen, in der die Grafen von Tirol gegen den Bischof von Chur die Oberhand gewannen und diese Talschaft als Keimzelle des werdenden Landes unter ihre Herrschaft brachten. L.s Beitrag über die Herren von Tschengls und das Kanzleramt im Vinschgau (S. 9–97) bildet mit beinahe 100 Seiten das Kernstück und zugleich den umfangreichsten Beitrag des Bandes. Aufgrund der Lückenhaftigkeit der schriftlichen Überlieferung und des weitgehenden Fehlens archäologischer Überreste müssen manche Fragen offen, manche Probleme ungelöst bleiben. Anknüpfend an die Ersterwähnung eines Hezilo cancellarius beschäftigt sich L. mit dem Amt des Grafschaftskanzlers im Vinschgau, das auf alte churrätische Traditionen zurückgeht, jedoch im späten 13. Jh. durch das Notariat abgelöst wurde. Nach einer Untersuchung von Besitz, Burgen und frommen Stiftungen versucht L. eine detaillierte Genealogie vorzulegen, wobei zwischen einer älteren Linie (Herren von Tschengls/Hezilonen), die sich auf den erwähnten Kanzler Hezilo zurückführen lässt, und einem jüngeren Zweig (Freie von Tschengls) zu unterscheiden ist, der wohl auf einen unehelichen Sohn aus der älteren Linie zurückgeht. Aufgrund der teilweise rudimentären Überlieferung bleiben manche familiären Zusammenhänge im Dunkeln, allerdings würde man sich manchmal mehr Klarheit und Eindeutigkeit in den Formulierungen wünschen; die beigegebene Stammtafel hilft in diesem Zusammenhang über manche Schwächen hinweg. Auch die zahlreichen Karten, die Besitzungen, Rechte und Siedlungsgeschichte illustrieren, tragen sehr zum Verständnis des Gesagten bei. Die Herren von Tschengls zählen zusammen mit anderen regionalen Familien zu den dörflichen Führungsschichten und sind damit Träger der lokalen Herrschaft. Die Tschenglser standen ursprünglich im Dienst der diesen Raum beherrschenden Bischöfe von Chur, passten sich jedoch den sich verändernden Machtverhältnissen an und wurden nach einer Phase der Doppelvasallität schließlich landesfürstliche Parteigänger. Anfang des 15. Jh. erloschen sie im Mannesstamm. David Fliri (S. 105–130) legt, nach einem kurzen Exkurs über Anna von Eschenlohe (von einer unehelichen Verbindung Meinhards II. von Görz und Tirol abstammend), die Mutter von Sigmund, dem letzten Tschenglser († 1421/22) (S. 99–104), insgesamt 17 teils bisher unbekannte Urkunden in mustergültiger Volledition vor. Es handelt sich um Stücke aus dem Zeitraum von 1286 bis 1421, in denen die Tschenglser entweder Aussteller oder Empfänger sind. Der Editor betont, dass die Edition keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Überlieferung erhebt und sich möglicherweise noch weitere Urkunden finden lassen. Im dritten Beitrag widmet sich Leo Andergassen (S. 131–174) ausführlich St. Johann in Prad, der Begräbniskirche der Freien von Tschengls, die als typisches Adelsbegräbnis des späten MA angesprochen werden kann. Basierend auf den vorhandenen Quellen, insbesondere den Aufzeichnungen des Tiroler Historiographen Anton Roschmann (1694–1760), geht A. auf die Geschichte, vor allem aber auf die vorzügliche gotische Ausmalung (1390/1400) ein, die durchaus ein individuell abgestimmtes Freskenprogramm aufweist, das auf ein neues Selbstverständnis des lokalen Adels hindeutet. Ein sehr schöner, insgesamt 32 Seiten umfassender farbiger Bildteil auf Hochglanzpapier rundet ebenso eindrucksvoll wie vollständig diesen Beitrag ab. Damit zeichnet der Sammelband ein umfassendes Bild dieser den oberen Vinschgau prägenden Adelsfamilie, die mit ihren Burgen, Türmen und ihrer Grablege bis heute das Bild des Dorfs prägt.

Christoph Haidacher

(Rezensiert von: Christoph Haidacher)