Steven J. McMichael, Mary Magdalene in Medieval Franciscan Spirituality: Beloved Disciple and Apostle of the Apostles, St. Bonaventure 2022, Franciscan Institute Publications, 269 S., Abb., ISBN 978-1-57659-453-7, USD 39,95. – Maria Magdalena, unter deren Namen seit Papst Gregor I. drei Figuren des Neuen Testaments verschmolzen sind, ist eine der interessantesten biblischen Frauengestalten. Bei den Franziskanern wurde sie als Beispiel einer reuigen Sünderin verehrt, die sich zur apostola apostolorum gewandelt hat. Katherine Ludwig Jansen, The Making of the Magdalen (2001), hat sich vor einiger Zeit mit dem spätma. Wandlungsprozess der Deutungen, von der vita apostolica, der vita activa, bis zur vita contemplativa, auseinandergesetzt, M., Professor für Theologie an der St. Thomas Univ. in St. Paul/Minnesota, analysiert Maria Magdalena nun aus einer dezidiert franziskanisch-spirituellen Perspektive heraus in einem äußerst lesenswerten Buch. Die Heilige ist in der herangezogenen Vita Christi-Literatur ein Beispiel für affektive Spiritualität. Neben den Schriften untersucht M. auch das Bild der Maria Magdalena in der Kunst des 13./14. Jh., etwa die Darstellungen in der Cappella della Maddalena in Assisi. Während Maria stets eine unerreichbare Heilige blieb, konnte Magdalena ein Vorbild für die sündhaften Menschen werden. Daher war letztere für die Minderbrüder in ihrer Seelsorge so bedeutsam. Als ein Beispiel sei das Bild der Maria Magdalena in der Auferstehungstheologie Bonaventuras herausgehoben, besonders in seinen Kommentaren zu Lukas und Johannes. Obwohl sie nicht namentlich bei Lukas genannt wird, ist sie die ‘erste Frau’ am Grab Jesu. Ihre brennende Liebe lässt sie zur ultimativen Zeugin des Auferstandenen werden; sie, als herausragende Sünderin und Büßerin, kann damit die Sünde Evas löschen, auch wenn ihr die Apostel zunächst nicht glauben wollten. Bei Johannes ist Maria Magdalena die leidenschaftliche Sucherin nach Jesus. Sie verändert ihre Liebe von einer irdisch-fleischlichen zu einer spiritual-geistlichen. Im Auferstandenen findet sie die Heilung, die sie in einem intensiven Akt der Buße gesucht hat. Obwohl Bonaventura den Begriff nicht benutzt, stilisiert er Maria Magdalena als apostola apostolorum, wie sie bei anderen Autoren bezeichnet wird. Sie ist die ideale Verkörperung eines Menschen, der erfolgreich von tiefster Verzweiflung zum höchsten Trost, vom unzureichenden menschlichen Verlangen zur höchsten Erfüllung gelangt.
Helmut Flachenecker
(Rezensiert von: Helmut Flachenecker)