Paul De Win, De kanseliers, raadsleden en secretarissen van de Raad van Brabant 1430–1506. Een prosopografische studie (Algemeen Rijksarchief – Archives générales du Royaume – Generalstaatsarchiv Studia 167) Brussel 2021, Algemeen Rijksarchief, 315 S., Abb., ISBN 978-94-6391-163-4, EUR 17. – Titel und Inhalt dieses Werks führen ein wenig in die Irre. Es handelt sich nicht um eine „prosopographische Studie“, wenn man darunter die fortlaufende Geschichte eines Personenkreises versteht. In einem „Wort vorab“ (S. 7) korrigiert der Vf. dies auch, wenn er feststellt, dass sein Werk keineswegs „eine Geschichte der Institution oder eine rechtshistorische Analyse der Einrichtung“ ist. Andererseits enthält die Einleitung bemerkenswerte Überlegungen über den Rat von Brabant im 15. Jh. Man sollte aber keine Erbsenzählerei anfangen bei einem Werk, das allein schon wegen der darin verarbeiteten Menge von Informationen großen Respekt und Bewunderung verdient. Den Großteil der Publikation bildet ein Lexikon der Amtsträger des Rats von Brabant von 1430 bis 1505; sie hat damit auch etwas von einem Archivinventar. Deshalb ist es völlig richtig, dass sie in die Reihe der Studia des Algemeen Rijksarchief aufgenommen worden ist. Allerdings hätte man für eine solche Studie eher die Form einer digitalen Präsentation erwartet. Denn obwohl das gedruckte Register gut benutzbar ist, hätte eine Datenbank weit mehr Suchoptionen geboten. Aber die Festlegung im Druck ist nicht nur bewährt und zukunftsbeständig, sie hat, wenn sie so durchgeführt ist wie hier, auch attraktive Seiten. Obwohl der Vf. ausdrücklich nicht die Absicht hat, eine Geschichte des Raad van Brabant als Institution zu schreiben, bietet die ausführliche Einleitung doch einen wichtigen Ansatz zu einer solchen. D. W. lenkt die Aufmerksamkeit auf die Entwicklung des Personalbestands mit Kanzler, normalen und außerordentlichen Ratsherren, Sieglern und den verschiedenen Sekretären. Kanzler, Räte und Sekretäre sollten im Prinzip in Brabant geboren, sesshaft und begütert sein, aber diese Regel kannte in der Praxis auch Ausnahmen und Zweifelsfälle. Bis 1500 waren Mitglieder des Brüsseler Patriziats dominierend. Einmal im Amt eingesetzt, galt auch eine Residenzpflicht in Brüssel. Der Rat traf sich ja täglich. Im Prinzip gab es ein Gleichgewicht zwischen Juristen und Nicht-Juristen, aber durch die Einsetzung beigeordneter, unbesoldeter (außerordentlicher) Räte wuchs die Zahl der Juristen. Bemerkenswert ist die geringe Zahl von Klerikern im Rat. Die Mitglieder des Rats waren nicht nur treue Anhänger des Herzogs, durch Verwandtschaftsbeziehungen entstanden auch Dynastien von Amtsträgern. Heiratspolitik spielte dabei eine wichtige Rolle. Genealogische Tabellen am Ende des Buchs bezeugen das. Was sofort auffällt und im Vergleich mit den konventionellen biographischen Lexika innovativ wirkt, sind die überreichen Verweise auf Quellen. Manchmal nehmen Anmerkungen und Fußnoten fast die Hälfte einer Seite ein. Das Ganze wird vervollständigt durch ausführliche Literaturlisten, vielleicht nicht immer auf den letzten Stand gebracht, aber das wäre auch unmöglich. Wichtiger als die Literatur ist wohl, dass D. W. für die Zusammenstellung seines Lexikons in den Archiven ad fontes gegangen ist. Besonders das Archiv des Rechnungshofs (Rekenkamer) mit den Auszahlungen der Gehälter an die Ratsherren hat er herangezogen. Derartige Materialien mit langen Reihen von Jahreszahlen sprechen wenig an, und eine Durchsicht erfordert viel Arbeit, aber D. W. zeigt, wie sehr sich das lohnt und welch reichhaltige Informationen sie enthalten. Ein anderer wichtiger Unterschied zu bisherigen biographischen Lexika besteht in der Aufnahme von Siegeln, Unterschriften, Zeichnungen aus Wappenbüchern und Grabdenkmälern. Diese sind nicht nur heraldisch interessant, sondern geben den beschriebenen Personen buchstäblich Farbe. Auch genealogischen Verknüpfungen wird reichlich Aufmerksamkeit gezollt. So wird dieses Lexikon ein wichtiges Nachschlagewerk zur Adelsgeschichte des Herzogtums Brabant im Spät-MA.
Jacques van Rensch
(Rezensiert von: Jacques van Rensch)