DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Alexander Sembdner / Christoph Volkmar (Hg.), Nahaufnahmen. Landesgeschichtliche Miniaturen für Enno Bünz zum 60. Geburtstag (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 67) Leipzig 2021, Leipziger Univ.-Verlag, 799 S., 61 Abb., ISBN 978-3-96023-409-8, EUR 60. – Die durch ein Personen- und Ortsregister zu erschließende Festschrift, die das beeindruckende, 723 Nummern umfassende Schriftenverzeichnis des Leipziger Landeshistorikers und DA-Hg. enthält (S. 709–756), versammelt 28 an den Forschungsgebieten des zu Ehrenden – Kirchen-, Agrar-, Sozial-, Stadt- und Universitätsgeschichte – ausgerichtete Beiträge, gegliedert in vier Blöcke: Pfarrei, Frömmigkeit und Reformation; Adel und Fürsten; Stadt und Land; Bücher als Quellen. Ma. Themen behandeln die folgenden Aufsätze: Hartmut Kühne / Jörg Voigt, ‘Rom to go’ – Möglichkeiten zur Gewinnung der römischen Stationsablässe zwischen Römischer Kurie, Ablasskommissaren und den Gläubigen vor Ort (S. 19–57), zeigen beispielreich die weite Verbreitung und inflationäre Ausweitung von Imitationen römischer Stationsablässe vornehmlich nördlich der Alpen auf, ordnen diese in die vorreformatorische „Dynamik der ‘nahen’ Gnade“ (Berndt Hamm) ein und edieren abschließend ein Beispiel aus der Zwickauer Ratsschulbibliothek. – Peter Wiegand, Pfarrvisitation im Bistum Meißen. Das Zeugnis der articuli seu interrogancia aus der Zeit Bischof Dietrichs III. von Schönberg (1463–1476) (S. 59–80), ordnet das im Liber Theodorici im Archiv des Hochstifts Meißen überlieferte und im Anhang des Beitrags edierte Interrogatorium in die geistliche und jurisdiktionelle Praxis des Ordinarius ein. – Die Widerstände vor allem von Pfarrern und Stadträten gegen die Bestrebungen der im Titel genannten und zur franziskanischen Provinz Saxonia gehörenden landesherrlichen Gründungen thematisiert Wolfgang Huschner, Äbtissin versus Pfarrer. Konflikte um inkorporierte Pfarrkirchen der Klarissenklöster Ribnitz und Seußlitz (S. 81–102). – Claudia Märtl, Eneas Silvius Piccolomini und die Pfarrei Aspach. Mit einer Liste der Pfarrer von Aspach im 15. Jahrhundert (S. 103–121), wertet vornehmlich die kuriale Überlieferung der in der Passauer Diözese gelegenen Pfarrei aus. Neben dem späteren Papst haben sich auch eine ganze Reihe bedeutender Persönlichkeiten nicht zuletzt aus dem rheinischen und mitteldeutschen Raum um die offensichtlich einträgliche Stelle beworben. – Andreas Ranft, Kirchturmpolitik im Mittelalter. Überlegungen zur politischen Funktion des Pfarrkirchenbaus im Spätmittelalter und die Perspektive städtischer „Kirchturmpolitik“ (S. 123–139), betont bei Stadtpfarrkirchen vor allem die Bedeutung des steingewordenen Behauptungswillens gegenüber Fremdherrschaft und dem jeweiligen Kirchherrn. – Die oft im Schatten kommunal-merkantilen Finanzwesens stehende Bedeutung des „heiligen Kredits“, v. a. auch die Relevanz langfristiger Kreditbeziehungen zwischen Pfarrkirche und Pfarrkindern kann Alexander Sembdner, Pfarrkirchen als Kreditinstitute. Beobachtungen am Beispiel der Bischofsstadt Naumburg a. d. Saale im 15. Jahrhundert (S. 141–169), materialreich aufzeigen. – Matthias Werner, Friedrich, Propst von St. Stephan in Mainz und Graf von Ziegenhain (um 1152/53–1213/15). Ein fast vergessener Ludowinger (S. 267–304), nimmt das Fallbeispiel des Landgrafensohns, eines Neffen Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, zum Anlass, um über Strukturen, Rangfragen, dynastische Kohärenzen und Karrieremöglichkeiten für nachgeborene Fürstensöhne im Hoch-MA perspektivenreich nachzudenken. – Joachim Schneider, Jörg von Bebenburg – Ein Ritter in fürstlichen Diensten zwischen Franken und Sachsen (S. 337–365), stellt die vielfältigen Handlungsfelder und Profilierungsmöglichkeiten eines aus fränkischer Niederadelsfamilie stammenden und 1472 gestorbenen adligen Rats vor. – Als ein „nach Innen wie Außen gerichtetes Mittel der Repräsentation städtischen Selbstbewusstseins“ (S. 456), entstanden in einer entscheidenden Phase urbaner Profilierung, charakterisiert Henning Steinführer, Das älteste Braunschweiger Stadtsiegel von 1231 (S. 439–456), seinen Forschungsgegenstand. – Klaus Krüger, Sonderfall Altmark: Städte, Herren und Fürsten im 14. und 15. Jahrhundert (S. 457–476), konturiert den im Vergleich zu anderen Landesteilen der grundsätzlich zu defensiv-reagierenden städtischen Bündnissen neigenden Mark Brandenburg erhöhten Territorialisierungs- und Organisationsgrad der Altmark. – Uwe Schirmer, Spätmittelalterliche Landesordnungen des mitteldeutschen Raumes (1440–1502) (S. 499–523), untersucht deren Abhängigkeitsverhältnisse, beginnend mit den frühesten mitteldeutschen Ordnungen der Magdeburger Erzbischöfe. – Vornehmlich die heute in der Univ.-Bibl. Leipzig befindlichen und auch im Inventar der meissnische(n) stifftsliberey von 1619 auftauchenden Bücher stellt Christoph Mackert, Über die erhaltenen Reste des handschriftlichen Buchbesitzes aus dem Domstift Meißen (S. 581–601), vor. – Markus Cottin, Beobachtungen zur mittelalterlichen Schriftlichkeit und zum Urkundendepot Lützens anhand des ältesten erhaltenen Stadtbuchs (S. 603–614), betont die für die Kleinstadt in den Jahrzehnten zwischen 1355 und 1375 einsetzende erstaunlich frühe urbane Schriftlichkeit und Urkundenverwahrung. – Acht Hss. aus der Sammlung eines spätma. Mediziners mit relativ selten überlieferten Texten, welche der leidenschaftliche Büchersammler Amplonius Rating († 1435) für seine Spezialbibliothek auswählte, kontextualisiert umfänglich Marek Wejwoda, Der Kölner Medizinprofessor Wolbero de Kaldenhoven aus Geseke († 1408) und seine Bücher. Eine Miniatur aus der Bibliotheca Amploniana (S. 615–644). – Nicht zuletzt Einblattdruck-Cluster stellt Falk Eisermann, Archivalische Inkunabelüberlieferung als Aufgabe (S. 645–668), vor.

Christof Paulus

(Rezensiert von: Christof Paulus)