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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Jan Niklas Meier, Der Woiwode als Monster. Vlad III. bei Michel Beheim und in der „Geschicht dracole waide“ (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag, Literaturwissenschaft 53) Baden-Baden 2021, Tectum, 236 S., ISBN 978-3-8288-4675-3, EUR 48. – Die germanistische Diss. hat es sich zum Ziel gesetzt, mit den Analyseinstrumentarien Jeffrey Jerome Cohens, Julia Kristevas und Michael Toggweilers aus den im Titel genannten Quellen kulturgeschichtliche Othering-Prozesse zu filtern, darauf ausgerichtet, den Woiwoden der Walachei Vlad III. Drăculea als „Figur eines Raumes zwischen den Räumen“ (S. 199) monströs aufzuladen und durch osmanisierende Konnotationen als Bedrohung für die Christenheit darzustellen. Beheims vielversiges Gedicht Trakle waida übe Gesellschaftskritik und sei „eine Art Gastgeschenk Friedrichs [III.] an Matthias Corvinus“ (S. 195); die Deutschen Geschichten/Berichte wiederum spendeten ihren christlichen Lesern Zuversicht gegen die osmanische Bedrohung (obwohl Vlad eigentlich gegen die Osmanen kämpfte ...). Zunächst bietet der Vf. eine kulturgeschichtliche Übersicht zum Monströsen und eine muntere Monster-Anthologie von Plinius d. Ä. über Isidor, die mappae mundi bis hin zu Marco Polo (S. 9–91). Die grausamen viri illustres, die Eneas Silvius faszinierten, sowie der entsprechende Renaissance-Diskurs hingegen bleiben bis auf Sebastian Brants eigentlich anders ausgerichtetes Narrenschiff weitgehend unberücksichtigt. Beim breiten, aus der Literatur geschöpften biographischen Überblick zu Vlad III. (S. 93–162) zeigt sich, dass wesentliche jüngere Arbeiten nicht zuletzt rumänischer Forscher (etwa Marian Comans zur spätma. Walachei) dem Vf., der der mancherorts unzuverlässigen Vlad-Biographie Ralf-Peter Märtins folgt, unbekannt sind. So haben sich leider hier (aber auch andernorts) Fehler und Fehldeutungen eingeschlichen, weswegen die Studie als Forschungseinstieg in Leben und Lebensumstände des walachischen Woiwoden nicht zu empfehlen ist. Die eigentliche Quellenanalyse fällt knapp und nacherzählend aus (S. 163–199). Methodisch erstaunt manches: Der Zusammenhang zwischen der hsl. Überlieferung der Deutschen Berichte, den Inkunabeln (M. geht von Marx Ayrers Nürnberger Frühdruck von 1488 aus), den Passagen bei Thomas Ebendorfer und bei Gebhard Dacher ist dem Vf. nicht bewusst. Die „Schichten der Geschichten“ und ihr historischer Kern bleiben unproblematisiert. Für die oben skizzierte Hauptthese werden anti-osmanische Flugschriften aus dem 16. Jh. retrospektiv und ohne tiefere Analyse in Anschlag gebracht. Insgesamt trägt die Arbeit zur Erhellung des historischen Kontexts nichts, zur Quelleninterpretation wenig bei, was über bereits Bekanntes hinausginge. Zur kulturgeschichtlichen Ausleuchtung ist man mit Wolfgang Achnitz, Graf Draculas Herkommen aus deutschen Texten der Frühen Neuzeit, in: How to Make a Monster. Konstruktionen des Monströsen, hg. von Sabine Kyora / Uwe Schwagmeier (2011) S. 21–40, besser bedient.

Christof Paulus

(Rezensiert von: Christof Paulus)