Stefan Brink, Thraldom. A History of Slavery in the Viking Age, Oxford 2021, Oxford Univ. Press, 392 S., 17 Abb., ISBN 978-0-19-753235-5. – Da die schriftliche Überlieferung erst im 12. Jh. so richtig einsetzt, als sich die Sklaverei bereits in Abwicklung befindet (vgl. DA 78, 445), ist es ein heikles Unterfangen, die Bedeutung der Sklaverei in Skandinavien in der vorausgehenden Zeit einzuschätzen. Das vorliegende Buch, die wesentlich erweiterte Fassung einer 2012 auf Schwedisch erschienenen Arbeit, ist deshalb weniger eine Gesamtdarstellung zu diesem Thema als vielmehr eine Zusammenführung von systematischen Quellenstudien. Der Vf., von Haus aus Sprachwissenschaftler, untersucht mit großer Akribie, welche Aussagen zur Sklaverei verschiedenen Quellengruppen abzugewinnen sind: Literatur und Dichtung (in denen man aber eher Klischees gespiegelt findet als reale Verhältnisse), Runeninschriften, Ortsnamen und archäologische Befunde. Auch der Etymologie und Semantik verschiedener Bezeichnungen aus dem Wortfeld der Sklaverei wird gründlich nachgegangen. Insgesamt ergibt sich für den Vf. der Eindruck, dass man nicht von einer simplen Dichotomie frei/unfrei ausgehen darf, sondern vielfach abgestufte Abhängigkeiten annehmen muss. Eine „Sklavin“, die einem Fürsten als Mätresse diente, führte zweifellos ein völlig anderes Leben als ein Sklave, der täglich die gröbste Feldarbeit verrichten musste. Die Gesamtzahl und damit die wirtschaftliche Bedeutung der Sklaven in der nordischen Gesellschaft ist ihm zufolge eher gering einzuschätzen; hauptsächlich fungierten sie anscheinend als Prestigeobjekte der Oberschicht (im Fall von jungen Frauen auch als Sexualobjekte), nicht als billige Arbeitskräfte in – wohl ohnehin kaum vorhandenen – landwirtschaftlichen Großbetrieben. Zwar scheint Menschenraub eines der Hauptgeschäfte der Wikinger auf ihren Razzien durch halb Europa gewesen zu sein, doch wurde die eingefangene Menschenware normalerweise nicht mit nach Hause gebracht, um dort zu arbeiten, sondern möglichst schnell wieder verkauft und somit kapitalisiert. Die beachtlichen Schatzfunde von arabischem Silbergeld aus dem 10. Jh., vor allem in Schweden, dürften auf diesen Sklavenhandel zurückgehen – was sonst hätte das karge Land schon zu exportieren gehabt?
Roman Deutinger
(Rezensiert von: Roman Deutinger)