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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 79,1 (2023) *.

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Hugonis Eteriani Epistolae, De sancto et immortali deo, Compendiosa expositio, Fragmenta Graeca, quae extant, ed. Pietro Podolak / Anna Zago (CC Cont. Med. 298) Turnhout 2020, Brepols, CII u. 393 S., ISBN 978-2-503-58641-0, EUR 295. – Hugo Eterianus ist eine der unverdient (fast) vergessenen großen Gestalten der Philosophie und Theologie des 12. Jh. In den 20er Jahren in Pisa geboren, studierte er bei Alberich von Mont-Ste-Geneviève, danach wurde er aber ein aktiver Anhänger Gilberts von Poitiers. Um die Mitte der 60er Jahre kam er nach Konstantinopel. 1166 wurde Hugo schlagartig bekannt durch seine Teilnahme an der Synode, die sich mit dem Satz „Mein Vater ist größer als ich“ (Ioh. 14, 28) befasste. Hugo bekräftigte eine der lateinischen Deutungen durch autoritative Sätze und syllogistische Schlüsse. In den nächsten knapp 15 Jahren engagierte er sich gegen die ihm gegenwärtige ost-orthodoxe Theologie und Philosophie in stark polemischen Schriften, die er zweisprachig zu verfassen pflegte. Nach zeitgenössischen Zeugnissen war Hugo der beste lateinische Kenner der hellenischen und byzantinischen Philosophie und Theologie und dadurch der sachkundigste Informant der lateinischen Theologen. Er lieferte der westlichen Kultur Sätze unbekannter Autoren, wie auch anderweitig nicht überlieferte Thesen von sonst mehr oder weniger populären Namen. Massiv präsentierte er völlig unbekannte byzantinische Autoren des 9.–12. Jh., um sie als aktuelle Opponenten seiner lateinischen Zeitgenossen zu stilisieren. Diese wurden allerdings von der abendländischen Kultur nicht eigentlich rezipiert. Nichtsdestoweniger ist mit Hugos Werk der Anbruch einer „griechischen Patristik“ zu assoziieren. Als Väter gelten die – als scientissimi und sanctissimi geschilderten – frühen christlichen Denker bis Johannes von Damaskus, insbesondere weil sie nach Hugo in einer similitudo mit den lateinischen Autoritäten stünden. Die späteren Autoren, als novi philosophi gekennzeichnet, werden dagegen als Schismatiker, Häretiker usw. gebrandmarkt, ohne Rücksicht darauf, was sie in der Tat behauptet haben. Hugo Eterianus ist in vieler Hinsicht für die abendländische Kultur nach den 50er Jahren des 12. Jh. musterhaft. Die meisten seiner Werke sind auf irgendeine Weise veröffentlicht. Nur die Publikation von Adversus Patherenos (Contra Patharenos) durch B., J. und S. Hamilton (2004, vgl. DA 61, 695) hat aber den Anspruch, eine kritische Ausgabe zu sein. Sie weist jedoch zahlreiche Mängel auf. P. / Z. liefern nun die kritische Ausgabe des Hauptwerks des Eterianus. In ihrer ausführlichen Einführung stellen sie De sancto et immortali Deo erschöpfend dar. Das Werk wurde zwischen 1175 und 1177 in drei Büchern zweisprachig abgefasst und an prominente Personen – den Kaiser, den Papst usw. – geschickt. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Hervorgang des Heiligen Geistes. Hugo führt einen Krieg gegen die ost-christlichen Positionen, in dem die Art und Weise des Heranziehens und Zitierens byzantinischer Autoren ein „Minenfeld“ für den unkundigen Leser ist. Die Auswahl, die Manipulation und die Übersetzung der Sätze verlaufen in vielen Fällen nach dem „zweiten Hauptsatz der Thermodynamik“. Den Editoren gelingt es, diese Ausgangslage zu bewältigen. Sie stützen sich auf neun Hss. (in drei Familien), die zwischen dem 12. und dem 16. Jh. entstanden sind. Ausgewertet werden auch die aufgrund einer heute verlorenen Hs. angefertigte editio princeps aus dem Jahr 1543 sowie die Ausgaben bis 1677. Ausführlich ist die Publikation von Migne, PL 202, besprochen, die die eigentliche Quelle der bisherigen Forschung war. Das Ergebnis ist eine sachdienliche editorische Leistung. Ihr Wert ist dadurch erhöht, dass für die Compendiosa Expositio, die in fünf Manuskripten in unterschiedlichem Umfang erhalten ist, eine Erstedition geboten wird. Diese erklärende Glosse zu De sancto et immortali Deo soll im kulturellen Umfeld des Autors entstanden sein. Sie strebt danach, die Absicht und die Struktur des Werks wie auch die Kompositionstechnik des Eterianus zu erläutern. Es werden etliche Begriffe, literarische und mythologische Bezugnahmen und syllogistische Beweise erklärt, wobei der Autor ab und zu gewisse Distanz zu Hugo demonstriert. Ediert sind auch die in zwei Hss. erhaltenen Fragmenta Graeca. Die Ausgabe mit ihrem durchdachten Apparat und den Indizes ist ein fein gearbeitetes Werkzeug für ein adäquateres Verständnis der turbulenten philosophisch-theologischen Situation von Hugo Eterianus und seines kulturellen Umfelds.

Georgi Kapriev

(Rezensiert von: Georgi Kapriev)