Loïc Chollet, Dernières croisades. Le voyage chevaleresque en Occident à la fin du Moyen Âge (Collection Chroniques) Paris 2021, Vendémiaire, 414 S., ISBN 978-2-36358-369-7, EUR 24. – Synthesen zu schreiben ist eine anspruchsvolle Aufgabe; junge Wissenschaftler wagen sich selten daran. Ch., der bisher erst eine Arbeit veröffentlicht hat, eine Studie über die Wahrnehmung Litauens und der nordischen Kreuzzüge in der westeuropäischen Literatur (Les Sarrasins du Nord, 2019, basierend auf seiner Diss.), hat keine Scheu, eine Überblicksdarstellung zu einem Thema vorzulegen, das in jüngster Zeit eingehend untersucht wurde. Allerdings verrät der Untertitel, dass dieses Thema eingegrenzt wurde auf „les aventures … des chevaliers de langue française qui nous ont, directement ou indirectement, rapporté leur témoignage“ (S. 12). Denn im 14./15. Jh. „la croisade est progressivement devenue l’apanage de la noblesse“ (S. 43). Darüber könnte man streiten, doch immerhin rechtfertigt es das Ziel der Studie: ein besseres Verständnis der Teilnahme von Adligen an den Kreuzzugsunternehmen, entwickelt anhand der literarischen Berichte. Das Buch hat einen klar gegliederten Aufbau. In der Einführung werden das Thema, die bisherige Forschung und die Quellen präsentiert. Der Hauptteil ist eine geographisch organisierte Darstellung der einzelnen Kreuzzüge, die den verschiedenen Fronten folgt, im Mittelmeer- und Ostseeraum, in Böhmen, auf der Iberischen Halbinsel und den Kanaren und auf dem Balkan. Gerahmt wird er von vier thematischen Kapiteln über die Geschichte der Kreuzzüge allgemein, die Motivierungen im Ritterideal, die Kritik an den Kreuzzügen und die Konfrontation der Kreuzfahrer mit dem Anderen. Ganz unabhängig von ihren jeweiligen Zielen, zogen die Kreuzzüge zahlreiche Ritter aus ganz Europa an, denn sie stellten für den europäischen Adel eine willkommene Möglichkeit dar, seinen Hunger nach kriegerischen Abenteuern mit seinen christlichen Idealen zu vereinen. Ablässe und das Seelenheil waren nur ein Motiv unter vielen. Der Kreuzzug wurde auch gelobt als Mittel, Sozialprestige zu erwerben (vgl. S. 139 und 158); genauso konnte er zum Instrument der großen Politik werden (vgl. S. 213), wenn ein Herrscher danach strebte, sich als Schützer des Glaubens auszuzeichnen. Im selben Maß wie der Krieg selbst hatte seine literarische Darstellung Anteil daran, „à définir une identité commune partagée entre les nobles“, und konnte die Grundlage bilden für „une internationale de la chevalerie“ (S. 309). Das Buch will einen Überblick bieten über diesen „rêve chevaleresque“ (S. 138) und seine Entwicklung. Ch. stützt sich hauptsächlich auf gedruckte Quellen und auf die Sekundärliteratur. Für Spezialisten wird er wenig Neues bieten und sie vielleicht auch einmal zum Widerspruch reizen. Die geographische Gliederung führt zuweilen zu Wiederholungen (z. B. beim Kreuzzug von Varna) und verwässert die Argumentation. Die letzten Kapitel pressen sehr verschiedene Quellen jeweils unter einem Etikett zusammen („Kritik“ oder „Wahrnehmung“), so dass ihr Gedankengang und ihre Argumentation im einzelnen nicht mehr nachzuvollziehen sind. Aber das Buch ist nicht für Spezialisten bestimmt, und so sollte man ihm solche Feinheiten nicht zur Last legen. Synthesen zu schreiben ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ch. hat sich ihr gestellt; sein Buch wird das faszinierende Thema der späteren Kreuzzüge einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Benjamin Weber (Übers. V. L.)
(Rezensiert von: Benjamin Weber)